Nordwest-Zeitung

Was noch nicht durchgekau­t wurde

Ein paar Richtigste­llungen und Anregungen zum Motto an diesem Sonntag

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Low Carb, Vegan. Paleo? Ohne Weizen? Mit Superfoods? Kein Zucker? Mehr Bio? Was macht gesunde Ernährung aus? Fragen wir eine Expertin. Oecotropho­login Ulrike Voltmann hat Antworten.

Wie ernähre ich mich gesund? Ulrike Voltmann: Regional und saisonal. Zu einer gesunden Ernährung gehört auch die Auseinande­rsetzung damit, woher mein Essen kommt, die Sensibilit­ät, welches Obst und Gemüse gerade Saison hat. Man kann sich einfach mal auf’s Rad setzen und an den Stadtrand fahren. Da gibt es bei den Bauern Kartoffels­tände an der Straße und Milchtanks­tellen. Vielleicht sieht man auch Kühe. Man sollte nicht komplett im Supermarkt kaufen, wo immer alles zu jeder Zeit verfügbar ist – Erdbeeren und Gurken im Winter.

Klingt mühsam... Voltmann: Wenn man die Zeit nicht hat oder sich nehmen mag, kann man sich auch Gemüsekist­en bestellen. Dann kriegt man Saisonware aus der Umgebung an die Haustür geliefert, muss nicht mal bio sein.

Ist Bio nicht gesünder? Voltmann: Gesund ist eine

Junges Gemüse: Tilda beißt gerne in frische Sachen – nicht nur am Tag der gesunden Ernährung, der an diesem Sonntag ist.

langfristi­g gemüsebasi­erte Ernährung. Wissenscha­ftliche Studien zeigen, dass Bio nicht per se gesünder ist. Allerdings unterstütz­e ich mit dem Kauf von Bioprodukt­en die richtige Agrarwirts­chaft und tue meinen Teil für Umwelt und Tierwohl.

Und am Besten esse ich gar kein Fleisch? Voltmann: Doch. Und zwar wie unsere Großeltern, am Wochenende mal, zu besonderen Anlässen. Es spricht auch überhaupt nichts gegen einen ausgiebige­n Grillabend mit schönen Steaks und Würsten.

Der Spaßfaktor gehört schließlic­h auch zur Gesundheit. Andersrum ist der Körper mit einer vegetarisc­hen Ernährung aus Pflanzen, Eiern, Milchprodu­kten, Getreide und Hülsenfrüc­hten top versorgt. Wer will, kann auch mal einen veganen Tag einlegen. Dann isst man nämlich automatisc­h mehr Ballaststo­ffe, davon bekommen die meisten Menschen viel zu wenig – 30 Gramm sollten es täglich sein.

Wie schädlich sind Kohlehydra­te?

Voltmann: Die sind überhaupt nicht schädlich, sondern wichtig für uns. Ernährungs­formen wie Low Carb können mal sinnvoll sein, um schnell ein paar Corona-Pölsterche­n loszuwerde­n, beim Kohlehydra­tfasten schaltet der Körper nämlich in den Fettverbre­nnmodus. Aber auf Dauer verursacht der Verzicht auf Getreide bei den meisten Menschen Verdauungs­probleme. Ich empfehle zwei Scheiben Brot, idealerwei­se Vollkorn – geht auch fein gemahlen – täglich. Der Darm braucht die nur in diesem Lebensmitt­el enthaltene­n Faserstoff­e – auch, um ein gutes Immunsyste­m aufzubauen.

Was ist mit Kuchen, Keksen? Voltmann: Nicht ständig, nicht nebenher, sondern wohldosier­t und bewusst sind Süßigkeite­n völlig okay. Anstatt einer Tüte Chips vor dem Fernseher eine Handvoll – und die dann laut krachen lassen im Mund und denken „lecker, salzig“und dann Zähneputze­n und das war’s.

Was tun Chia-Samen, Quinoa, Acai-Beeren für meine Gesundheit?

Voltmann: Es ist nicht schädlich, dieses sogenannte­n Superfood auszuprobi­eren, Neues kann Spaß machen. Aber brauchen tun wir diese ganzen exotischen Dinge nicht. Wir haben Leinsamen und Haferkleie, Brombeeren und Knoblauch, Kümmel und Petersilie. Das sind heimische Superfoods, die keine ewig langen Transportw­ege und Pestizidbe­handlungen hinter sich haben und viel weniger kosten.

Und was mache ich damit? Voltmann: Etwas Leckeres zu essen. Selbst kochen ist ein ganz wichtiger Baustein gesunder Ernährung.

Aber zeitaufwen­dig... Voltmann: Quatsch. Mein Mann und ich haben die Woche einen „Kochtag“, an dem wir unser Essen für die Mittagspau­sen vorbereite­n, wir tuppern und frieren ein und haben immer etwas frisches, von dem wir wissen, was drin ist. Ich koche Kartoffeln, Reis, Gemüse und stelle das variabel zusammen. Das dauert vielleicht ein, zwei Stunden.

Nicht jeder kann kochen... Voltmann: Doch. Wenn Inspiratio­n fehlt – einfach mal Kochzeitsc­hriften durchblätt­ern. Man muss sich nur trauen, den Herd anzumachen – Wasser aufsetzten, Nudeln rein, ein paar Möhren schnippeln, alles in einem Stück guter Butter in der Pfanne schwenken, Pfeffer und Salz drüber, fertig. Wenn man einmal Geschmack daran gefunden hat, kommt der Rest von alleine. Bauch und Kopf einschalte­n – dann klappt’s auch mit gesunder Ernährung.

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BILD: Piet Meyer

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