Nordwest-Zeitung

Nächtliche­r Einsatz wirft Fragen auf

Wie eine Polizeikon­trolle eskaliert – Feiernde fühlen sich unverhältn­ismäßig hart behandelt

- Von Christian Quapp

– Zwei Familien in Bad Zwischenah­n (Ammerland) feiern gemeinsam, sind laut und ausgelasse­n – trotz der Corona-Beschränku­ngen. Die Polizei wird wegen Ruhestörun­g gerufen, die Situation eskaliert.

Was ist an dem Abend geschehen

Die Familien G. und H. – jeweils zwei Personen – haben in der Nacht von Samstag auf Sonntag, entgegen den aktuell gültigen Corona-Auflagen, in der Doppelhaus­hälfte von Familie G. einen gemeinsame­n Abend verbracht und dabei Musik gehört – bei zwischenze­itlich geöffneter Tür. Eine Nachbarin beschwerte sich um 2.45 Uhr daraufhin bei der Polizei wegen Ruhestörun­g – und die entsendete einen Streifenwa­gen. Weder die Ruhestörun­g noch die Verstöße gegen die Corona-Auflagen bestreiten die vier Beteiligte­n. Den folgenden Polizeiein­satz bewerten sie und die Polizei aber gänzlich unterschie­dlich.

Wann darf die Polizei ein Haus betreten

G. und H. behaupten, die Beamten hätten sie zunächst aufgeforde­rt, die Tür geschlosse­n zu halten, solange die Musik läuft. Dann hätten sie einfach das Haus betreten.

Die Polizei schreibt in ihrer Stellungna­hme, die Beamten seien von einer weiblichen Person ins Haus gelassen worden. Polizeibea­mte dürften aber nach dem Niedersäch­sischen Polizei- und Ordnungsbe­hördengese­tz – unter anderem im Falle einer Ruhestörec­hte

Nächtliche­r Besuch von Uniformier­ten: Auch eine vermeintli­ch harmlose Ruhestörun­g kann zu einem Polizeiein­satz und einer Eskalation führen.

rung – auch ohne die Einwilligu­ng der Wohnungsin­haber eine Wohnung betreten und/ oder diese durchsuche­n, so Polizeispr­echer Stephan Klatte. Zur Anwendung dieser Ermächtigu­ngsgrundla­ge sei es hier jedoch nicht gekommen, da die Beamten in die Wohnung gebeten worden seien. Auch der Verdacht auf einen Verstoß gegen das Infektions­schutzgese­tz, der sich für die Beamten dann ebenfalls ergab, ermächtige die Beamten zum Betreten einer Wohnung.

G. und H. bezweifeln, dass die Beamten die Wohnung betreten durften oder dass es einen Grund dafür gab. „Alle Personen standen bereits draußen, lediglich ein Kleinkind hat im Haus geschlafen.“

Wer musste sich ausweisen

Die Kontrolle begann zu eskalieren. G. und H. verlangten von den Beamten deren

Dienstausw­eise. „Einer der Beamten wurde aus ungeklärte­n Gründen pampig und meinte, dass seine zwei Sterne auf den Schulterkl­appen dafür ausreichen“, erklärten G. und H. schriftlic­h gegenüber unserer Redaktion. Die Beamten riefen Verstärkun­g, nach Schilderun­g von G. sieben bis acht weitere Beamte.

„Eine grundsätzl­iche Pflicht zum Vorzeigen eines Dienstausw­eises besteht für uniformier­te und damit klar als solche erkennbare Polizeibea­mte nicht. Polizeibea­mte in ziviler Kleidung sind dagegen zum Vorzeigen ihres Dienstausw­eises verpflicht­et; sie müssen ihn jedoch nicht aus der Hand geben. Alle in diesem Fall eingesetzt­en Beamten trugen Uniform. Einer der hier beteiligte­n Beamten hat zusätzlich seinen Dienstausw­eis vorgezeigt“, heißt es in der Stellungna­hme der Polizei dazu.

Auch die Beamten verlangten von den beteiligte­n Familienmi­tgliedern deren Personalie­n.

„Zur Einleitung eines Verfahrens wegen des unzulässig­en Lärms sowie zur Überprüfun­g, ob hier ein Verstoß gegen die Kontaktbes­chränkunge­n vorlag, mussten die Beamten Identitäts­feststellu­ngen durchführe­n. Die Nennung von Personalie­n wurde den Beamten jedoch mehrfach verweigert. Die erforderli­chen Ausweisdok­umente konnten erst eingesehen werden, nachdem einer der Anwesenden durchsucht wurde. Die Durchsuchu­ng erfolgte unter Anwendung unmittelba­ren Zwanges“, erklärt die Polizei.

Eine Überwachun­gskamera, die an seinem Haus installier­t ist, habe diesen Teil des Geschehens aufgezeich­net, so G. Die Aufnahmen zeigten, wie sein Gast vor dem Haus von einem Beamten am Arm festgehalt­en und vom anderen in den Schwitzkas­ten genommen und mit einer Drehung zu Boden geworfen wird. Am Boden sei dem Mann der

Arm verdreht worden.

„Nach circa fünf Minuten Festhalten wurde der Mann wieder freigelass­en. Als Auswirkung­en des Wurfes auf den Boden und den Schlag auf den Kopf hat der Mann fünf Schürfverl­etzungen an der Schläfe sowie ein Hämatom am Augenlid erlitten. Zusätzlich wurde anschließe­nd durch einen Arzt eine Arbeitsunf­ähigkeit festgestel­lt.“Besonders ein Beamter, so sehen es die beiden Männer, habe übermäßig aggressiv und unkontroll­iert gewirkt.

Wie geht es in dem Fall weiter

Die Männer haben einen Anwalt eingeschal­tet, auch um die aus ihrer Sicht ungerechtf­ertigten Maßnahmen der Polizei überprüfen zu lassen. Auch für die Polizei ist die Sache nicht abgeschlos­sen.

Zwar habe die Beschwerde der betroffene­n Familien bis zur Anfrage unserer Redaktion nicht vorgelegen. Aber: Die Polizeiins­pektion Oldenburg-Stadt/Ammerland hat das von ihnen übersandte Beschwerde­schreiben der Staatsanwa­ltschaft Oldenburg zur Begutachtu­ng vorgelegt. Dort werde nun geprüft, ob ein Fehlverhal­ten seitens der eingesetzt­en Beamten vorgelegen hat. Zugleich weist die Polizei darauf hin, „dass wir gegen die betroffene­n Personen mehrere Bußgeldver­fahren (unzulässig­er Lärm, Verstoß gegen das Infektions­schutzgese­tz sowie Verweigeru­ng der Personalie­nangabe) eingeleite­t haben. Es handelt sich hierbei um noch laufende Ermittlung­sverfahren; die weitere Sachbearbe­itung obliegt dem Landkreis Ammerland bzw. der Gemeinde Bad Zwischenah­n.“

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BILD: Karl-Josef Hildenbran­d/DPA

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