Nächtlicher Einsatz wirft Fragen auf
Wie eine Polizeikontrolle eskaliert – Feiernde fühlen sich unverhältnismäßig hart behandelt
– Zwei Familien in Bad Zwischenahn (Ammerland) feiern gemeinsam, sind laut und ausgelassen – trotz der Corona-Beschränkungen. Die Polizei wird wegen Ruhestörung gerufen, die Situation eskaliert.
Was ist an dem Abend geschehen
Die Familien G. und H. – jeweils zwei Personen – haben in der Nacht von Samstag auf Sonntag, entgegen den aktuell gültigen Corona-Auflagen, in der Doppelhaushälfte von Familie G. einen gemeinsamen Abend verbracht und dabei Musik gehört – bei zwischenzeitlich geöffneter Tür. Eine Nachbarin beschwerte sich um 2.45 Uhr daraufhin bei der Polizei wegen Ruhestörung – und die entsendete einen Streifenwagen. Weder die Ruhestörung noch die Verstöße gegen die Corona-Auflagen bestreiten die vier Beteiligten. Den folgenden Polizeieinsatz bewerten sie und die Polizei aber gänzlich unterschiedlich.
Wann darf die Polizei ein Haus betreten
G. und H. behaupten, die Beamten hätten sie zunächst aufgefordert, die Tür geschlossen zu halten, solange die Musik läuft. Dann hätten sie einfach das Haus betreten.
Die Polizei schreibt in ihrer Stellungnahme, die Beamten seien von einer weiblichen Person ins Haus gelassen worden. Polizeibeamte dürften aber nach dem Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetz – unter anderem im Falle einer Ruhestörechte
Nächtlicher Besuch von Uniformierten: Auch eine vermeintlich harmlose Ruhestörung kann zu einem Polizeieinsatz und einer Eskalation führen.
rung – auch ohne die Einwilligung der Wohnungsinhaber eine Wohnung betreten und/ oder diese durchsuchen, so Polizeisprecher Stephan Klatte. Zur Anwendung dieser Ermächtigungsgrundlage sei es hier jedoch nicht gekommen, da die Beamten in die Wohnung gebeten worden seien. Auch der Verdacht auf einen Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz, der sich für die Beamten dann ebenfalls ergab, ermächtige die Beamten zum Betreten einer Wohnung.
G. und H. bezweifeln, dass die Beamten die Wohnung betreten durften oder dass es einen Grund dafür gab. „Alle Personen standen bereits draußen, lediglich ein Kleinkind hat im Haus geschlafen.“
Wer musste sich ausweisen
Die Kontrolle begann zu eskalieren. G. und H. verlangten von den Beamten deren
Dienstausweise. „Einer der Beamten wurde aus ungeklärten Gründen pampig und meinte, dass seine zwei Sterne auf den Schulterklappen dafür ausreichen“, erklärten G. und H. schriftlich gegenüber unserer Redaktion. Die Beamten riefen Verstärkung, nach Schilderung von G. sieben bis acht weitere Beamte.
„Eine grundsätzliche Pflicht zum Vorzeigen eines Dienstausweises besteht für uniformierte und damit klar als solche erkennbare Polizeibeamte nicht. Polizeibeamte in ziviler Kleidung sind dagegen zum Vorzeigen ihres Dienstausweises verpflichtet; sie müssen ihn jedoch nicht aus der Hand geben. Alle in diesem Fall eingesetzten Beamten trugen Uniform. Einer der hier beteiligten Beamten hat zusätzlich seinen Dienstausweis vorgezeigt“, heißt es in der Stellungnahme der Polizei dazu.
Auch die Beamten verlangten von den beteiligten Familienmitgliedern deren Personalien.
„Zur Einleitung eines Verfahrens wegen des unzulässigen Lärms sowie zur Überprüfung, ob hier ein Verstoß gegen die Kontaktbeschränkungen vorlag, mussten die Beamten Identitätsfeststellungen durchführen. Die Nennung von Personalien wurde den Beamten jedoch mehrfach verweigert. Die erforderlichen Ausweisdokumente konnten erst eingesehen werden, nachdem einer der Anwesenden durchsucht wurde. Die Durchsuchung erfolgte unter Anwendung unmittelbaren Zwanges“, erklärt die Polizei.
Eine Überwachungskamera, die an seinem Haus installiert ist, habe diesen Teil des Geschehens aufgezeichnet, so G. Die Aufnahmen zeigten, wie sein Gast vor dem Haus von einem Beamten am Arm festgehalten und vom anderen in den Schwitzkasten genommen und mit einer Drehung zu Boden geworfen wird. Am Boden sei dem Mann der
Arm verdreht worden.
„Nach circa fünf Minuten Festhalten wurde der Mann wieder freigelassen. Als Auswirkungen des Wurfes auf den Boden und den Schlag auf den Kopf hat der Mann fünf Schürfverletzungen an der Schläfe sowie ein Hämatom am Augenlid erlitten. Zusätzlich wurde anschließend durch einen Arzt eine Arbeitsunfähigkeit festgestellt.“Besonders ein Beamter, so sehen es die beiden Männer, habe übermäßig aggressiv und unkontrolliert gewirkt.
Wie geht es in dem Fall weiter
Die Männer haben einen Anwalt eingeschaltet, auch um die aus ihrer Sicht ungerechtfertigten Maßnahmen der Polizei überprüfen zu lassen. Auch für die Polizei ist die Sache nicht abgeschlossen.
Zwar habe die Beschwerde der betroffenen Familien bis zur Anfrage unserer Redaktion nicht vorgelegen. Aber: Die Polizeiinspektion Oldenburg-Stadt/Ammerland hat das von ihnen übersandte Beschwerdeschreiben der Staatsanwaltschaft Oldenburg zur Begutachtung vorgelegt. Dort werde nun geprüft, ob ein Fehlverhalten seitens der eingesetzten Beamten vorgelegen hat. Zugleich weist die Polizei darauf hin, „dass wir gegen die betroffenen Personen mehrere Bußgeldverfahren (unzulässiger Lärm, Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz sowie Verweigerung der Personalienangabe) eingeleitet haben. Es handelt sich hierbei um noch laufende Ermittlungsverfahren; die weitere Sachbearbeitung obliegt dem Landkreis Ammerland bzw. der Gemeinde Bad Zwischenahn.“