Auf Eurotour mit einem Rechtsradikalen
Premiere des Films „Je suis Karl“auf der Berlinale – Viel verschenktes Potenzial
Berlin – Um Flüchtlingskrise, Rechtsextremismus und Trauerbewältigung dreht sich der Film „Je suis Karl“, der seine Premiere auf der Berlinale gefeiert hat. Und um eines vorwegzunehmen: Die 126 Minuten Laufzeit haben es in sich. Denn: Der Zuschauer hat aufgrund der Schwere der Thematik kaum eine Möglichkeit zu entkommen. Worum geht es?
Hilfe bei Karl gefunden
Maxi (Luna Wedler) und ihr Vater Alex (Milan Peschel) überleben als einzige ihrer Familie ein Bombenattentat in Berlin. Bei dem Terrorangriff kommen Maxis Mutter und ihre Brüder ums Leben. Die Hintergründe der Tat sind zunächst unklar. Die Ermittlungen der Polizei dauern an. Während Alex vergeblich nach Halt sucht, hat Maxi bereits Hilfe gefunden.
Der junge Student Karl (Janis Niewöhner) tritt in ihr Leben. Beide verstehen sich auf Anhieb gut. Er lädt Maxi ein, mit nach Prag zu kommen, wo sich die Jugend Europas trifft. Maxi traut ihm und fliegt nach Tschechien. Doch hinter einem angeblichen Jugendtreff steckt in Wirklichkeit eine Revolution der Neuen Rechten. Maxi ahnt jedoch nicht, worauf sie sich eigentlich eingelassen hat.
Ambitionierte Geschichte
Rein inhaltlich ist „Je suis Karl“eine ambitionierte, brandaktuelle und zutiefst erschütternde Geschichte. Die in der realen Welt aufkommende rechte Bewegung in vielen europäischen Staaten wird filmisch wunderbar zu einer plausiblen Geschichte zusammengesetzt.
Jedoch fehlt es der Story leider an dem nötigen Feinschliff. Denn einzelne Handlungsstränge verpuffen einhier wäre etwas mehr Tiefgang besser gewesen. So wäre aus einer tollen Geschichte auch ein toller Film geworden. Aber Schwochow verlässt sich zu sehr auf Klischees, anstatt wirklich unbequem zu werden.
Positiv hingegen sind die Darsteller zu bewerten. Allem voran Nachwuchsdarsteller Jannis Niewöhner. Zu dem sagte Moritz Bleibtreu einst: „Jannis ist ein Filmstar. So einfach ist es.“Und genau dies stellt Niewöhner in „Je suis Karl“auch wieder unter Beweis. Jede Szene mit ihm ist intensiv, emotional und authentisch. Er stellt all seine anderen Darsteller in den Schatten. Seine Präsenz und seine Ausstrahlung geben dem Film einen Mehrwert. Und es entsteht – so seltsam es auch ist – in einigen Stellen ein Hauch von Mitleid für den rechtsradikalen Bombenleger. Das ist schon sehr merkwürdig.
Direkt hinter Niewöhners Leistung überzeugt auch Luna Wedler („Das schönste Mädchen der Welt“). Sie gibt ihrer
Rolle Glaubwürdigkeit und eine innere Unruhe, die einen zum Nachdenken bringt. Aber auch hier wäre etwas mehr Raffinesse der Figur für den Film besser gewesen.
Unlogische Hauptfigur
Es ist nämlich nicht wirklich nachvollziehbar, warum sie dem Rechtsradikalen folgt. Ob dubiose Telefonate, die Rede von einem Aufbruch oder die Fürsprache von härteren Strafen für Kriminelle: Die Anzeichen waren für die junge Maxi da. Dennoch ignoriert sie diese und driftet selbst in die rechte Schiene ab.
Zusammenfassend bietet „Je suis Karl“ordentliches Berlinale-Material, was mit etwas mehr Tiefgang zu einem starken Beitrag geworden wäre. Allerdings beschränkt sich Regisseur Schwochow auf die bereits vorhandenen Anstöße zum Thema Rechte Szene. Vielleicht hätte ein bisschen mehr Mut zu einem starken Film verholfen. So bleibt alles weiter unbeantwortet.