Jo! – Wir brauchen ein neues Heimatlied
Plattdeutsch Annie Heger und Insina Lüschen veröffentlichen als „Die Deichgranaten“erste Single
Sie wollen die Bühne mit Friesennerzen, viel Heimatliebe und Plattdeutsch nun auch gemeinsam erobern: Die Cousinen Annie Heger und Insina Lüschen – zusammen „Die Deichgranaten“– haben ihre erste Single „Jo!“herausgebracht. Wie es dazu gekommen ist, was es mit Bandname und Songtitel auf sich hat und was Heimat für sie bedeutet, verrät Entertainerin Annie Heger im Gespräch.
Frau Heger, gemeinsam mit ihrer Cousine Insina Lüschen sind Sie die Deichgranaten. Wie kam es dazu? Heger: 2016 ist der Kinofilm „Ostfriesisch für Anfänger“mit Dieter Hallervorden in die Kinos gekommen. Ich war am Set die Fachberaterin für das Plattdeutsche. An einem Tag sollte eine Dorffest-Szene gedreht werden, doch die Band fiel aus, so dass ich eingesprungen bin. Ich habe noch schnell meine Cousine angerufen, die sofort mitmachte. Der Schauspieler Holger Stockhaus, der uns beide als „Bürgermeister“anmoderieren sollte, improvisierte: „Das waren die... Deichgranaten!“Der Name stand schon mal.
Wie ging es weiter? Heger: Als der Film in die Kinos kam, haben wir tatsächlich Anfragen bekommen, die wir aber ablehnen mussten – uns gab es ja nicht wirklich. Kurze Zeit später fand das Plattart-Festival statt. Wir wollten den digitalen Raum auf Plattdeutsch erobern. So haben wir als Deichgranaten angefangen, YouTube-Videos zu veröffentlichen, etwa Schminkanleitungen. Oder wir erklärten den Unterschied zwischen einem Streik und einer Demonstration. Die Videos kamen wirklich gut an, und so sind wir als Deichgranaten zusammengeblieben.
Wir haben ein Musik-Kabarett-Programm geschrieben und warten jetzt seit über einem Jahr auf die Premiere. Um irgendwie präsent zu sein, gibt es jetzt die Single noch vor der Tour.
Die Debütsingle heißt „Jo!“– was hat es damit auf sich?
Heger: Als der Song entstanden ist, hatte er noch einen sehr viel längeren Namen, nämlich eine ausformulierte Frage, nämlich: „Bruken wi wirklich noch een nejet Heimatlied?“
Das ist in der Tat recht lang... Heger: Genau. Intern hieß der Song auch nur kurz „Heimatlied“. Irgendwann haben wir noch einmal darüber gesprochen, der Name war einfach nicht griffig. Wie sollten denn die Fans darüber sprechen? So kamen wir darauf, dass wir die Antwort auf die Frage nehmen: „Jo!“Letztlich geht auch nicht um die Frage, sondern um das „Jo!“-Sagen.
Also braucht es ein neues Heimatlied?
Heger: Ja, unbedingt! Das Lied soll aber nicht heimelig über Deiche, Shantychöre und Krabbenbrötchen gehen, sondern über unsere Heimat und dass wir frei sind und Glück haben. Wir sind hier schicksalhaft auf die Welt gekommen und in einem freien Land ohne Krieg groß geworden. Also lasst uns die Heimat werden für die, die keine mehr haben.
Wie wird dieses Gefühl im Lied vermittelt, ohne zu schwer zu werden?
Heger: Am Anfang schunkelt und klatscht man noch mit. Je weiter das Lied fortschreitet, desto mehr muss man nachdenken, wobei man da gerade mitklatscht. Das Lied verändert sich zu einem sehr klaren gesellschaftlichen Statement.
Das da wäre?
Heger: Normalerweise mutet die plattdeutsche Szene etwas konservativ an. Uns als Deichgranaten war es wichtig zu zeigen, dass man auf Platt
deutsch alles sagen kann. Die Themen der heutigen Zeit sind nicht ausgeschlossen. Wir sehen uns in der Verantwortung, den Mund aufzumachen. Wir stehen für ein weltoffenes Deutschland, ein weltoffenes Norddeutschland – ein weltoffenes Oldenburg. Wir freuen uns sehr, dass es hier sehr viele Menschen gibt, die „Jo!“sagen.
Sie haben den Song selbst Heimatlied genannt – wie beschreiben Sie Heimat? Heger: Ich habe gerade erst für ein Interview einen englischen Text über den Song geschrieben. Da kam ich an meine Grenzen – obwohl ich einen amerikanischen Highschool-Abschluss habe. Der Heimatbegriff ist schon sehr speziell. Man kann ihn immer nur mit „zu Hause“, also „Home“, übersetzen. Und mit zu Hause meint man eigentlich etwas ganz anderes als Heimat bedeutet. Das fand ich sehr spannend.
Ich habe das Glück, durch die plattdeutsche Sprache immer sehr verbunden zu sein mit dem Nordwesten. So nehme ich immer einen Teil Heimat mit.