Nordwest-Zeitung

Azubis schmeckt Ausbildung auch in Pandemie

Wie lernt man den Koch-Beruf, wenn die Küche weitgehend kalt bleibt? – Ein Beispiel aus der Praxis

- Von Markus Minten

Etzhorn – Ausbildung in der Pandemie: Wie sieht es in praktische­n Berufen aus, wenn die Betriebe hart vom Lockdown getroffen sind – wie etwa die Gastronomi­e? Funktionie­rt das eigentlich?

Es kann funktionie­ren, muss aber nicht. „Bei uns in der Klasse sind es nur wenige, die arbeiten“, berichtet Niklas Ebken. Der 17-Jährige ist im ersten Ausbildung­sjahr zum Koch im „Patentkrug“. Und wenn Mitschüler arbeiten könnten, dann müssten sie oft nur fegen. Auch sein Kollege Jasper Wilkens (22) berichtet von einem Mitschüler, der seit dem zweiten Lockdown zu Hause sitze, jetzt in Kurzarbeit sei und noch weniger Geld bekomme. „Ich könnte mir dann nicht mal mehr die Wohnung leisten.“Der 22-Jährige gibt zu, dass er sich anfangs darüber gar keine großen Gedanken gemacht habe. Erst im Nachhinein sei ihm aufgefalle­n, „wie krass das alles ist“.

Jasper Wilkens und Niklas Ebken sind gemeinsam mit Omar Darwish Ahmad (2. Ausbildung­sjahr) und Luca Heinen (3. Ausbildung­sjahr) die vier Koch-Lehrlinge im „Patentkrug“. Und bei ihnen ist es anders, ihre Ausbildung läuft weiter – fast normal. Mehr noch: Ihr Arbeitgebe­r Izzettin Tekce und ihr Ausbilder Thorben Grübnau ermögliche­n ihnen die Teilnahme am digitalen Lernen der Berufsschu­le aus dem Betrieb heraus. Sie stellen Raum und Technik bereit. Eine „neue kleine Klasse“nennt der Inhaber das: „Das hat viel Gutes, die Jungs sind vor Ort, können ihre Aufgaben machen und auch mal über diese diskutiere­n. Und Hilfe beim Fernlernen kommt den Azubis zugute – besonders auch Omar Darwish Ahmad. Der 27-Jährige stammt aus Syrien und hat – trotz guter Deutschken­ntnisse – „schon ein bisschen Schwierigk­eiten

Luca Heinen ist bereits im dritten Ausbildung­sjahr und schon erfahren am Herd.

mit dem Online-Unterricht“.

Normalerwe­ise werde die Ausbildung bei Ausfallzei­ten von drei Monaten verlängert, so Grübnau: „Jetzt aber haben die Jungs teilweise über Monate keine Ausbildung. Wir werden Bildungsde­fizite haben.“Vielfach gehe durch Pandemie und Lockdown ein komplettes Ausbildung­sjahr verloren.

Doch die Azubis sollen nicht nur theoretisc­h auf dem Laufenden bleiben, sondern trotz eingeschrä­nkten Betriebs auch praktisch weiterlern­en. Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 hat Küchenchef Grübnau mit seinen Azubis einen Lieferserv­ice entwickelt, zunächst als Planspiel auf dem Papier. Je nach

Omar Darwish Ahmad aus dem zweiten Ausbildung­sjahr beim Bauen eines Burgers.

Ausbildung­sstand ging es um Warenbesch­affung, Rezepterst­ellung und Preiskalku­lation. „Da sind auch Dinge dabei, die man in der Ausbildung so nicht macht“, sagt Luca Heinen. Er ist im dritten Ausbildung­sjahr und froh, „da mal reingucken zu können“. Im November zum zweiten Lockdown wurde das Papier aus

der Schublade geholt und der Lieferserv­ice in die Tat umgesetzt. Die Auszubilde­nden hätten nun eine fachliche Beschäftig­ung, einen ununterbro­chenen Lehrbetrie­b, der Betrieb ein neues Küchenmode­ll und Präsenz am Markt, um die Kundenbind­ung zu halten, betont er gleich mehrere Vorteile.

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BILD: Piet Meyer

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