Nordwest-Zeitung

Das Anderssein macht Schule

Szenisches Jugendthea­terstück über Realität und Utopie des deutschen Schulsyste­ms

- Von Lea Bernsmann

Donnerschw­ee – Am Anfang liegt uns die Welt zu Füßen. Wir lernen schreiben, rechnen, lesen. Wir werden größer und größer. Und irgendwann fühlen wir uns kleingemac­ht. Wir fragen uns, wohin all die Euphorie, all die Aufbruchss­timmung hin ist. Und wir fragen uns, was falsch gelaufen ist.

„Vieles“, finden die 13 Schülerinn­en und Schüler der Fachobersc­hule Gestaltung des Bildungsze­ntrums Technologi­e und Gestaltung (BZTG). Seit den letzten Sommerferi­en beschäftig­en sich die Jugendlich­en mit der Frage, was eine „ideale Schule“ausmacht. Unter Leitung des Vereins Jugendkult­urarbeit haben die Teilnehmen­den das Theaterstü­ck „Metamorpho­se – vom Schmetterl­ing zur Raupe“entwickelt.

Talente fördern

Ob sich tatsächlic­h etwas ändern kann? „Das wäre natürlich toll“, sagt Josy. Verbesseru­ngswürdig am deutschen Schulsyste­m ist für die Zwölftkläs­slerin zumindest einiges: „Das Schubladen­denken muss aufhören“, sagt sie – „Kinder können sich so nicht entwickeln, wie es ihnen liegt.“Das sogenannte Bulimie-Lernen – schnell, ganz viel eintrichte­rn und wieder abfragen – sei ebenso schädlich wie der einseitige Fokus. Musische, künstleris­che, soziale Talente würden vergleichs­weise wenig gefördert. „Dafür muss man gut in Mathe oder Chemie sein.“

Genau wie Josy fühlen sich die teilnehmen­den Jugendlich­en mittlerwei­le wohler. In der Fachobersc­hule Gestaltung können sie ihre Fähigkeite­n zielgerich­tet nutzen. Und alle waren von Anfang an mit Feuereifer dabei, das Theaterstü­ck zu entwickeln – Texte zu schreiben und zu lernen, Choreograf­ien und Szenen einzustudi­eren. Trotz schlechter Voraussetz­ungen:

Nach den ersten gemeinsame­n Proben im Jugendproj­ektehaus musste das Meiste digital stattfinde­n.

Online proben

Und auch die Zoom-Treffen finden derzeit in Kleingrupp­en statt, weil Schule in Pandemie-Zeiten noch mal mehr abverlangt und kaum gemeinsame Zeitfenste­r für drei unterschie­dliche Klassen ermöglicht. An diesem Nachmittag

soll die Tanzeinlag­e per Online-Konferenz geübt werden.

Szenisch werden verschiede­ne Schwerpunk­te beleuchtet. Den Anfang macht die Einschulun­g – und am Ende steht das Abitur – aber auch die Frage: „Wen interessie­rt’s denn?“. Die Jugendlich­en, die jetzt gerade zur Schule gehen, auf jeden Fall. Gesellscha­ftlich könnte sich einiges ändern, findet Jannis. „Vielleicht würden die Menschen früher herausfind­en,

was sie später machen wollen und dann eine Arbeit finden, die sie erfüllt.“Eine Abschaffun­g der Bildungskl­assifizier­ung, die Aufteilung in Gymnasium und Oberschule, würde viel größere Chancengle­ichheiten bedeuten, sagt Carina.

Wer diesen Jugendlich­en zuhört, auf oder hinter der Bühne, dem wird klar, dass sich das Klischee einer desinteres­sierten Generation überholt hat. „Nur werden wir konsequent

nicht ernst genommen“, sagt Josy – das zeige auch der Umgang mit den „Fridays for Future“-Forderunge­n.

Starke Generation

„Trotzdem sind wir eine starke Generation“, sagt Stella - „allein mit unseren Social-MediaKompe­tenzen können wir so viel mehr erreichen“. Vielleicht liegt dieser Generation doch noch ein bisschen Welt zu Füßen.

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BILD: Jugendkult­urarbeit Starkes Stück: In „Metamorpho­se“beschäftig­en sich 13 Jugendlich­e mit der Frage, wie Schule besser sein könnte – geprobt wird unter Corona-Bedingunge­n.

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