Sanktionen gegen China
Brüssel/dpa – Die EU hat erstmals seit mehr als 30 Jahren wieder Sanktionen gegen China wegen Verletzungen der Menschenrechte verhängt. Die Außenminister der 27 Mitgliedstaaten beschlossen am Montag in Brüssel Strafmaßnahmen gegen Verantwortliche für die Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Region Xinjiang. Die EU-Sanktionen sehen vor, dass sämtliche Vermögenswerte der betroffenen natürlichen oder juristischen Personen eingefroren werden. Außerdem darf ihnen kein Geld mehr zur Verfügung gestellt werden. Die Einreise in die EU ist ihnen nun ebenfalls verboten. Als Reaktion kündigte Chinas Regierung umgehend Gegensanktionen an.
■ Wie unser Brüssel-Korrespondent die Lage einschätzt,
Es ist das kleine Wörtchen „zielgenau“, das den Unterschied macht. Die Europäische Union hat an diesem Montag keine Sanktionen gegen China verhängt, sondern „zielgenau“gegen vier Chinesen. Bei ihnen handelt es sich um die Hauptverantwortlichen, die die uigurische Minderheit in Umerziehungslagern einer Gehirnwäsche unterziehen und gegen eine Vielzahl von Menschenrechten verstoßen.
Natürlich steckt hinter dieser offiziellen Begründung der Versuch, die Vollstrecker der Politik der kommunistischen Parteikader zu packen und einen Keil zwischen sie und die höhere Befehlsebene zu treiben. Vor allem aber will Brüssel nicht die offiziellen Gesprächskanäle blockieren. Wie Peking auf diese Taktik reagiert, wurde deshalb mit Spannung erwartet. Denn man hat es schließlich mit jener EU zu tun, mit der man noch vor wenigen Wochen ein Abkommen über weitere Investitionen abgeschlossen und sich dabei sogar zur Abschaffung von Zwangsarbeit bereiterklärt hatte. Die uigurische Minderheit wurde dabei ausdrücklich erwähnt. Peking durfte also das ohnehin geringe Vertrauen in diese Zusicherung nicht riskieren und nicht mit brachialer Gegengewalt reagieren. Man hätte sich vor der Weltöffentlichkeit bloßgestellt und den Vertrag mit der EU faktisch selbst ad absurdum geführt. Die Antwort aus Peking erscheint deshalb „gleichwertig“, zeigt aber auch, dass die Staatspartei nicht verstanden hat, um was es der Gemeinschaft geht.
Der Chef der europäischen Grünen, Reinhard Bütikofer, wird das Einreiseverbot in das Reich der Mitte zwar ebenso verschmerzen wie die übrigen, die nun vom Bannstrahl der Kommunistischen Partei (KP) getroffen werden. Aber die chinesische Führung hat damit Politiker verprellt, die in Europa viel für die beiderseitige Freundschaft getan haben, ohne allerdings je die katastrophale Menschenrechtssituation zu verschweigen. Die Antwort aus Peking ist ein Fehler.
Die Organe der Europäischen Union haben begonnen, das neue Instrument der Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen auf eine überaus interessante Weise zu nutzen. In immer mehr Fällen setzt man es nämlich gegen Staaten ein, mit denen man intensive wirtschaftliche Kooperationen pflegt. Die waren bisher in vielen Fällen umstritten, weil die Kritiker der Gemeinschaft vorwerfen konnten, ökonomische Fragen höher zu bewerten als moralische. Der Fall China zeigt, dass die Gemeinschaft ihre Beißhemmung verliert und beides zusammenbringen will.
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