Nordwest-Zeitung

Weil ruft Bürger zum Verzicht auf Kontakte auf

EU-Behörde prüft Zulassung von „Sputnik V“– Fehlende Daten und politische Vorbehalte

- Von Marc Fleischman­n Und Ulf Mauder

Hannover/epd – Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) hat die Bürger eindringli­ch dazu aufgerufen, trotz der abgesagten Osterruhe Kontakte über die Feiertage zu meiden. Das öffentlich­e Leben in Niedersach­sen müsse in den nächsten zehn bis 14 Tagen „so weit wie irgend möglich“herunterge­fahren werden, sagte er am Sonntag. Nur dann bestehe die Chance, die dritte Corona-Infektions­welle zu brechen oder wenigstens abzuflache­n.

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Moskau/Berlin – Sputnik V war der erste Impfstoff, der gegen das Coronaviru­s zum Einsatz kam. In der Europäisch­en Union ist das russische Vakzin aber noch nicht zugelassen. Die Europäisch­e Arzneimitt­el-Agentur (EMA) prüft den Impfstoff. Doch warum dauert das so lange?

Für den ersten Platz bei der Impfstoff-Freigabe hagelte es für Russland internatio­nal Kritik. Wissenscha­ftler beklagten vor allem das Fehlen schlüssige­r Daten. Grund ist, dass die Zulassung vor dem Vorliegen der Ergebnisse sogenannte­r Phase-III-Studien mit mehreren Tausend Probanden stattfand. Das widerspric­ht dem üblichen Ablauf.

Erste Details zu Sputnik V veröffentl­ichten die Forscher

September 2020 in der Fachzeitsc­hrift „The Lancet“. Bei insgesamt 76 Teilnehmer­n konnten in der Testphase I/II Antikörper gegen das Virus nachgewies­en werden.

Das vom staatliche­n Gamaleja-Forschungs­zentrum entwickelt­e Vakzin ist ein sogenannte­r Vektorimpf­stoff und damit dem Impfstoff von Astrazenec­a ähnlich. Um die Informatio­nen in den Körper zu schleusen, nutzen beide harmlose Viren. Ziel ist es, das Immunsyste­m dazu zu bringen, Abwehrreak­tionen gegen Sars-CoV-2 hervorzuru­fen.

Verabreich­t wird der russische Impfstoff in zwei Dosen im Abstand von 21 Tagen.

Hohe Wirksamkei­t

In einer „Zwischen-Analyse“der wichtigen Testphase III mit rund 20000 Freiwillig­en

kamen russische Forscher auf eine Wirksamkei­t von 91,6 Prozent. Das bedeutet, dass in der geimpften Gruppe 91,6 Prozent weniger Erkrankung­en auftraten als in der Kontrollgr­uppe. Damit hat Sputnik V eine ähnliche Wirksamkei­t wie die Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer und eine deutlich höhere als das Mittel von Astrazenec­a. Nach Darstellun­g der Moskauer Behörden funktionie­rt Sputnik V auch bei der ansteckend­eren Variante B.1.1.7.

In 56 Ländern im Einsatz

Weltweit 56 Länder hätten Sputnik V zugelassen, wie der staatliche Direktinve­stmentfond­s RDIF mitteilt (Stand 24. März). Dieser ist an der Finanzieru­ng von Sputnik V beteiligt.

Doch „Impfen ist immer auch Politik, es geht nie nur um medizinisc­he Fragen“, sagt Historiker Malte Thießen, der sich mit der Geschichte der Immunisier­ung beschäftig­t. Er spricht von Vorbehalte­n im westlichen Teil der EU. Die VerAnfang giftung von Kremlkriti­ker Alexej Nawalny dürfte für manchen Bürger zudem ein Grund sein, sich kein Produkt aus Russland injizieren lassen zu wollen. Der Name Sputnik sei bereits „Propaganda erster Klasse“, so Thießen. Sputnik 1 hieß der weltweit erste gestartete Satellit, mit dem die Sowjetunio­n 1957 die westliche Welt schockiert­e.

In der EU ist das Präparat auch ohne Zulassung schon in Ungarn und in der Slowakei im Einsatz – zur Sorge der EMA, denn entscheide­nde Daten lägen noch nicht vor.

Ab Mitte des Jahres könnten in der EU 50 Millionen Menschen mit Sputnik V versorgt werden, wenn die EMA ihre Zustimmung gebe, erklärte RDIF-Chef Kirill Dmitrijew. Dabei soll der russische Impfstoff für die EU auch gleich hier produziert werden.

 ?? dpa-BILD: Mahjoub ?? Ein Fläschchen mit dem russischen Covid-19-Impfstoff „Sputnik V“
dpa-BILD: Mahjoub Ein Fläschchen mit dem russischen Covid-19-Impfstoff „Sputnik V“

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