Weil ruft Bürger zum Verzicht auf Kontakte auf
EU-Behörde prüft Zulassung von „Sputnik V“– Fehlende Daten und politische Vorbehalte
Hannover/epd – Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat die Bürger eindringlich dazu aufgerufen, trotz der abgesagten Osterruhe Kontakte über die Feiertage zu meiden. Das öffentliche Leben in Niedersachsen müsse in den nächsten zehn bis 14 Tagen „so weit wie irgend möglich“heruntergefahren werden, sagte er am Sonntag. Nur dann bestehe die Chance, die dritte Corona-Infektionswelle zu brechen oder wenigstens abzuflachen.
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Moskau/Berlin – Sputnik V war der erste Impfstoff, der gegen das Coronavirus zum Einsatz kam. In der Europäischen Union ist das russische Vakzin aber noch nicht zugelassen. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) prüft den Impfstoff. Doch warum dauert das so lange?
Für den ersten Platz bei der Impfstoff-Freigabe hagelte es für Russland international Kritik. Wissenschaftler beklagten vor allem das Fehlen schlüssiger Daten. Grund ist, dass die Zulassung vor dem Vorliegen der Ergebnisse sogenannter Phase-III-Studien mit mehreren Tausend Probanden stattfand. Das widerspricht dem üblichen Ablauf.
Erste Details zu Sputnik V veröffentlichten die Forscher
September 2020 in der Fachzeitschrift „The Lancet“. Bei insgesamt 76 Teilnehmern konnten in der Testphase I/II Antikörper gegen das Virus nachgewiesen werden.
Das vom staatlichen Gamaleja-Forschungszentrum entwickelte Vakzin ist ein sogenannter Vektorimpfstoff und damit dem Impfstoff von Astrazeneca ähnlich. Um die Informationen in den Körper zu schleusen, nutzen beide harmlose Viren. Ziel ist es, das Immunsystem dazu zu bringen, Abwehrreaktionen gegen Sars-CoV-2 hervorzurufen.
Verabreicht wird der russische Impfstoff in zwei Dosen im Abstand von 21 Tagen.
Hohe Wirksamkeit
In einer „Zwischen-Analyse“der wichtigen Testphase III mit rund 20000 Freiwilligen
kamen russische Forscher auf eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent. Das bedeutet, dass in der geimpften Gruppe 91,6 Prozent weniger Erkrankungen auftraten als in der Kontrollgruppe. Damit hat Sputnik V eine ähnliche Wirksamkeit wie die Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer und eine deutlich höhere als das Mittel von Astrazeneca. Nach Darstellung der Moskauer Behörden funktioniert Sputnik V auch bei der ansteckenderen Variante B.1.1.7.
In 56 Ländern im Einsatz
Weltweit 56 Länder hätten Sputnik V zugelassen, wie der staatliche Direktinvestmentfonds RDIF mitteilt (Stand 24. März). Dieser ist an der Finanzierung von Sputnik V beteiligt.
Doch „Impfen ist immer auch Politik, es geht nie nur um medizinische Fragen“, sagt Historiker Malte Thießen, der sich mit der Geschichte der Immunisierung beschäftigt. Er spricht von Vorbehalten im westlichen Teil der EU. Die VerAnfang giftung von Kremlkritiker Alexej Nawalny dürfte für manchen Bürger zudem ein Grund sein, sich kein Produkt aus Russland injizieren lassen zu wollen. Der Name Sputnik sei bereits „Propaganda erster Klasse“, so Thießen. Sputnik 1 hieß der weltweit erste gestartete Satellit, mit dem die Sowjetunion 1957 die westliche Welt schockierte.
In der EU ist das Präparat auch ohne Zulassung schon in Ungarn und in der Slowakei im Einsatz – zur Sorge der EMA, denn entscheidende Daten lägen noch nicht vor.
Ab Mitte des Jahres könnten in der EU 50 Millionen Menschen mit Sputnik V versorgt werden, wenn die EMA ihre Zustimmung gebe, erklärte RDIF-Chef Kirill Dmitrijew. Dabei soll der russische Impfstoff für die EU auch gleich hier produziert werden.