Mit Kölschrock für eine bessere Welt
BAP-Sänger Wolfgang Niedecken wird 70 – Matthias Blum erinnert an legendäre Konzerte
Das bislang letzte Konzert von Wolfgang Niedecken und dessen Band BAP fand am 16. August 2019 in Bonn, direkt am Ring, also am Rhein, statt. Niemand hätte sich an diesem wunderschönen Freitagabend vor gut anderthalb Jahren vorstellen können, als er nach über drei Stunden sein Publikum entließ, dass die nächste Tour auf unbestimmte Zeit verschoben werden müsste.
Das neue Album „Alles fließt“war im letzten September erschienen und so wird der Kölner Sänger, ein wahrer Überzeugungstäter par excellence, ein Mensch, dessen Leben nicht immer geradeaus gelaufen ist, an diesem Dienstag seinen 70. Geburtstag still und leise im Kreis seiner Liebsten feiern und sehnsüchtig auf den Tag warten, an dem die Bühne für seine Rock’n’Roll-Show wieder freigegeben wird.
Erster Auftritt 1983
Vor gut 38 Jahren, am 7. April 1983, entfachte Wolfgang Niedecken auch in Oldenburg zum ersten Mal ein Feuer, das schon in vielen deutschen Städten quer durch die Bundesrepublik am Brennen war. Hier sagte eine laute Stimme „Nein“zu Aufrüstung und wiedererstarktem Nationalismus, Nein zu Rassismus und geistig-moralischer Wende.
Die „Vun drinne noh drusse“-Tour mit gut 130 Auftritten war der große Durchbruch für die Kölner Gruppe mit Frontsänger und Gründer Wolfgang Niedecken. Ausverkaufte Hallen von Aachen bis Berlin, von Kiel bis Freiburg. In Oldenburg dauerte der Spaß leider nur bis 1994, insgesamt sieben Mal spielte die Band in der WeserEms-Halle groß auf. Letzter Auftritt war vor gut zehn Jahren in der Kulturetage, als er aus seiner Biografie „Für ’ne Moment“gelesen hat und ein
paar Songs mit seiner AkustikGitarre zum Besten gab, ein halbes Jahr vor seinem Schlaganfall. Natürlich hatte auch das RockpalastOpen Air Festival an der Loreley im August 1982 dazu beigetragen, dass BAP live im deutschen Fernsehen übertragen wurde. Niedecken rockte mit seinen Jungs auf der Bühne in einem Atemzug mit Idol Rory Gallagher, die Jugend klebte vor der Glotze, eine bessere Werbung für die Hallensaison konnte es nicht geben.
Und natürlich nicht nur für die Rockmusik, sondern auch für die Sprache ganz allgemein. Er sensibilisierte halb Deutschland für Kölsch und sorgte dafür, dass das engli
sche Liedgut mal zur Seite gelegt wurde.
Probleme offen benannt
Spätestens bei „Kristallnaach“, das neben „Verdamp lang her“im Radio rauf und
runter gespielt wurde, muss allen Hörern bewusst geworden sein, dass hier große Gesellschaftsprobleme angesprochen werden.
Vorbild zu sein, ohne Sprüche zu klopfen aus einer sicheren Nische, die Hand zu reichen
denen, die diese wirklich brauchen und trotzdem immer wieder mahnen, bis zum heutigen Tag, dafür steht der Südstadt-Dylan, wie er vor vielen Jahren getauft wurde, der Mensch Wolfgang Niedecken.