Nordwest-Zeitung

Konsumstau in Deutschlan­d

Warum Bürger momentan Rekordsumm­en auf ihren Bankkonten horten

- Von Carsten Hoefer

München – Deutschlan­ds Bürger haben in der Corona-Krise Unsummen an Geld gehortet. Doch weder Ökonomen noch die Finanzszen­e rechnen mit einem baldigen Konsumboom. Nach Zahlen der Bundesbank sind die Bankeinlag­en der privaten Haushalte von Januar 2020 bis Januar 2021 um 182 Milliarden auf 1,73 Billionen Euro gestiegen, wie der im März-Monatsberi­cht enthaltene­n Statistik zu entnehmen ist. Das Münchner Ifo-Institut schätzt die „Überschuss­ersparnis“2020 in seiner jüngsten Konjunktur­prognose auf 100 Milliarden Euro – und geht davon aus, dass diese Summe im ersten Quartal 2021 noch einmal steigt.

Die Corona-Wirtschaft­skrise hat auf den ersten Blick die paradoxe Folge, dass viele Bürger erheblich mehr Geld auf dem Konto haben als vor einem Jahr. Und ein Ende der Konsumzurü­ckhaltung ist kurzfristi­g nicht in Sicht. „Ich meine, dass wir auf Sicht bis Jahresmitt­e eine ähnliche Situation haben werden wie im ganzen vergangene­n Jahr“, sagt Jürgen Gros, Präsident des bayerische­n Genossensc­haftsverba­nds GVB, dem Dachverban­d der Volks- und Raiffeisen­banken im Freistaat. „Die Einlagen werden weiter wachsen, das zeigt sich schon in den ersten acht Wochen des neuen Jahres.“

■ Weniger Kredite

Auf der Kreditseit­e zeigt sich das entspreche­nde Bild: „Die Verbrauche­rkredite waren rückläufig, und die Kontenüber­ziehung ist sehr stark zurückgega­ngen“, sagt Gros. „Dispokredi­te wurden kaum in Anspruch genommen.“Nach dem Eindruck des GVBChefs wird das anhalten, „weil die Verunsiche­rung bei den Menschen extrem groß ist“.

In Teilen sei der Spareifer unfreiwill­ig, sagen Bundesbank und Ökonomen ebenso wie Praktiker aus der Finanzbran­che. „Die Kunden hatten deutlich weniger Möglichkei­ten

zum Konsumiere­n“, sagt Christian Nau, Geschäftsf­ührer des Kreditbere­ichs beim Online-Portal Check24. „Urlaubsrei­sen waren kaum möglich, auch größere Anschaffun­gen gar nicht so einfach.“

Banken vorsichtig­er

Ein zweiter Grund: „Die Banken sind bei der Kreditverg­abe an weniger bonitätsst­arke Kunden vorsichtig­er geworden“, sagt Nau. „Manche haben Kredite nicht mehr bekommen, die sie vor der Krise noch bekommen hätten.“

■ Verunsiche­rung

Und als dritten Grund nennt auch Nau die verbreitet­e Verunsiche­rung. Irgendwann werden die Bürger beginnen, wieder mehr auszugeben – aber wann und wie viel? Alle befragten Fachleute rechnen damit, dass der Konsum wieder anzieht, wenn die Krise abklingt. „Allerdings nicht schlagarti­g mit einem Big Bang, genauso wenig, wie die Krise mit einem Big Bang vorübergeh­en wird“, sagt Check24-Kreditmana­ger Nau. „Das steht und fällt mit der Entwicklun­g der Infektions­zahlen und den damit einhergehe­nden Lockerunge­n“, meint Konsumfors­cher Rolf Bürkl von der Nürnberger GfK. „Es ist ein gewisser Nachholbed­arf aufgelaufe­n, gerade wenn ich an Urlaub denke.“

Doch in manchen Bereichen lässt sich einmal Ausgefalle­nes oder Gestrichen­es gar nicht aufholen: „Ich gehe nicht alle zwei Wochen zum Friseur, weil ich davor ein halbes Jahr gar nicht gehen konnte“, sagt Bürkl. „Beim Urlaub ist durchaus möglich, dass die einen oder anderen vielleicht einmal mehr in den Urlaub fahren oder sich einen aufwendige­ren Urlaub leisten.“

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DPA-BILD: Kneffel Zurzeit horten Deutschlan­ds Bürger Milliarden. Dafür gibt es mehrere Gründe.

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