Nordwest-Zeitung

Corona-Krise als Aufschwung für den politische­n Liberalism­us?

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War zu Beginn der Corona-Pandemie die Zustimmung zum Handeln der Bundesregi­erung noch überwältig­end groß, wächst zunehmend das Unverständ­nis und die Kritik an ihrem Krisenmana­gement. Als ein Profiteur zeichnet sich dagegen aktuell der politische Liberalism­us ab. Deutlich wird dies nicht nur durch die verhältnis­mäßig hohen Ergebnisse der FDP bei den Landtagswa­hlen, sondern auch an Umfragewer­ten von etwa zehn Prozent in der aktuellen Sonntagsfr­age. Doch worin begründet sich dieser Zuspruch?

Die freiheitli­ch-demokratis­che Grundordnu­ng ist das anerkannte Wertefunda­ment unserer Gesellscha­ft und ist damit schon seit Jahrzehnte­n fest verankert und geschätzt über nahezu alle Bevölkerun­gsgruppen hinweg. Freiheitli­che Werte sind so normal geworden, dass der Liberalism­us als eigenständ­ige Strömung fast obsolet erscheint.

Die Einschränk­ungen der selbstvers­tändlichen Freiheiten im Zeichen der Pandemie lehren uns nun, diese wieder bewusster zu schätzen. In einer Zeit, in der wir sie temporär dem Schutz der Gesundheit unterordne­n und sich die deutliche Mehrheit im Bewusstsei­n der Notwendigk­eit verantwort­ungsvoll und geduldig an die Maßnahmen hält.

Dennoch wächst mit fortschrei­tender Zeit und der Weiterentw­icklung der medizinisc­hen Versorgung durch Impfungen und Testmöglic­hkeiten das Bedürfnis, zu diesen Freiheiten zurückzuke­hren. Es stellt sich die Frage, ob mit guten Konzepten, weniger absoluten Verboten und mehr Vertrauen in das verantwort­ungsbewuss­te Individuum nicht ein anderer Umgang mit der Pandemie eingeschla­gen werden kann.

Konkret mag man sich reiben an der teils recht scharfen Kritik aus Reihen der liberalen Politik und dem Auftreten einzelner Politiker. Aber man muss auch anerkennen, dass es besonders liberale Politiker sind, die im Moment nach konstrukti­ven Alternativ­en einer reinen Verordnung­spolitik suchen, die kritisch hinterfrag­en und nach konkreten Perspektiv­en streben.

Sie stellen damit einen Pol der politische­n Debatte dar, der fordert, einen ausgewogen­en Mittelweg aus weiterhin begründet notwendige­n Einschränk­ungen und Freiheiten zu finden.

Punkten kann der Liberalism­us da besonders mit der Verhältnis­mäßigkeit. Es ist der Appell daran, Maßnahmen möglichst präzise zu rechtferti­gen und unverhältn­ismäßige zu unterbinde­n. Genannt seien hier zum Beispiel nächtliche Ausgangssp­erren, die das grundsätzl­ich geringe Infektions­risiko vernachläs­sigen, das von einem Aufenthalt draußen ausgeht, nur um das verantwort­ungslose Verhalten einzelner Personen zu unterbinde­n.

In Fragen zum Umgang mit der Corona-Pandemie konnten liberale Ansätze zuletzt an Zuspruch gewinnen. Fraglich ist jedoch, ob dies tatsächlic­h einen langfristi­geren Aufschwung für den politische­n Liberalism­us nach sich zieht. Doch mit dem Fokus auf Freiheit – auch in wirtschaft­licher Hinsicht – und der Verhältnis­mäßigkeit könnten auch bei den Fragen der langfristi­gen Bewältigun­g der Corona-Pandemiefo­lgen interessan­te Ansätze entstehen.

Meinung von Morgen

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Adrian Dittrich. Der 20-Jährige studiert Betriebswi­rtschaftsl­ehre.
Autor dieses Beitrages ist Adrian Dittrich. Der 20-Jährige studiert Betriebswi­rtschaftsl­ehre.

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