Das letzte Attentat der RAF
Mord an Treuhandchef Rohwedder seit 30 Jahren ungeklärt
Detlev Karsten Rohwedder sitzt am 1. April 1991 nachts im Pyjama am Schreibtisch seiner Villa am Rhein in Düsseldorf und arbeitet. Als Treuhandchef ist der einst als Jobretter gefeierte Topmanager zum „Buhmann der Nation“geworden. Er muss die marode DDR-Wirtschaft privatisieren oder, wo das nicht geht, abwickeln. Das bringt ihn ins „Fadenkreuz der Frustrierten“, wie er selbst sagt.
Als er aufsteht, fällt ein Schuss. Rohwedder wird am Ostermontag 1991 in den Rücken getroffen – er stirbt eine halbe Stunde vor Mitternacht. Eine zweite Kugel verletzt seine Frau am Arm. Eine Dritte bleibt im Bücherregal stecken.
Bekennerbrief am Tatort
Terroristen haben den 58jährigen Rohwedder aus einem Schrebergarten ins Visier genommen. Der Mörder, das ergibt später eine LaserRekonstruktion, lauerte 63 Meter entfernt. Dort findet sich ein Bekennerschreiben der RAF (Rote Armee Fraktion), das die Ermittler als authentisch einstufen. Das Gewehr, aus dem die Kugeln abgefeuert wurden, war kurz zuvor beim RAF-Anschlag auf die US-Botschaft in Bonn benutzt worden. Dennoch macht die Theorie von einem Scharfriert schützen der Stasi die Runde. Andere wittern einen Komplott der westdeutschen Wirtschaft gegen die neue Konkurrenz im Osten.
30 Jahre nach dem tödlichen Schuss auf Rohwedder – einst Manager des Jahres, Sanierer, Staatssekretär, SPDMitglied – wird das Ermittlungsverfahren bei der Bundesanwaltschaft unter dem Aktenzeichen 2 BJs 62/91-2 noch immer „gegen Unbekannt“geführt.
Das Ehepaar fühlte sich schon zuvor bedroht. Wenige Tage vor den Schüssen bat Rohwedders Frau Hergard die Polizei um mehr Schutz – vergeblich. Nachts hatte das Telefon geklingelt, Unbekannte klingelten an der Haustür und ließen sich nicht blicken.
Warnungen ignoriert
Hergard Rohwedder starb vor knapp zwei Jahren. In einem Interview ein Jahr vor ihrem Tod machte sich die Richterin Vorwürfe, die Vorhänge im Arbeitszimmer nicht zugezogen und nicht reagiert zu haben, als am Tattag ein verdächtiges Auto auf dem Nachbargrundstück parkte. Aber auch die Ermittlungen und Schutzmaßnahmen kritisierte sie deutlich.
„Es war staatlicher Unwille, der Rohwedder an jenem Tag in seiner Wohnung das Leben gekostet hat“, sagte Rainer Hofmeyer, Ex-Chef der Terrorismusabteilung im Bundeskriminalamt (BKA), vor wenigen Tagen dem „Spiegel“. Warnungen des BKA seien ignoworden. „Das ist ein Versagen des Föderalismus, das in mir auch heute noch große Wut auslöst.“
Drei Kippen, keine Spur
Das Killer-Kommando entkommt trotz Großalarm und Ringfahndung. Es ist das letzte Attentat der linksterroristischen RAF, die ein Jahr später Mordanschlägen abschwört und sich 1998 auflöst.
Im Kleingarten, aus dem der Mörder feuerte, finden die Ermittler auch drei Zigarettenkippen. Heute hätten sie schnell die DNA des Rauchers geliefert, aber nicht vor 30 Jahren. Und für neue Analysen gibt es kein Material – es wurde bei den Untersuchungen damals aufgebraucht.