Warnung vor Astrazeneca
Impfstoff soll nur noch Menschen ab 60 Jahren verimpft werden
Berlin/Hannover – Der Corona-Impfstoff von Astrazeneca soll nach einem Beschluss der Gesundheitsminister von Bund und Ländern ab Mittwoch in der Regel nur noch für Menschen ab 60 Jahren eingesetzt werden.
Unter 60-Jährige aus den Priorisierungsgruppen 1 und 2 sollen sich „nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoanalyse nach sorgfältiger Aufklärung“weiterhin damit impfen lassen können, wie aus dem Beschluss von Dienstagabend hervorgeht.
Zuvor hatte die Ständige Impfkommission (Stiko) eine entsprechende Altersbeschränkung für Astrazeneca empfohlen. Grundlage seien derzeit verfügbare Daten zum Auftreten „seltener, aber sehr schwerer thromboembolischer Nebenwirkungen“. Diese seien 4 bis 16 Tage nach der Impfung ganz überwiegend bei Personen im Alter unter 60 Jahren aufgetreten, teilte das beim Robert Koch-Institut (RKI) angesiedelte Gremium mit. Dabei geht es um Auffälligkeiten mit Fällen von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen in zeitlichem Zusammenhang zu Impfungen, die vor allem bei jüngeren Frauen gemeldet wurden.
Einige Bundesländer, Kommunen und Kliniken hatten zuvor bereits Impfungen mit Astrazeneca im Alleingang für unter 60-Jährige ausgesetzt.
Laut dem Beschluss der Gesundheitsminister soll es den Ländern nun frei stehen, auch jetzt schon die 60-69-Jährigen für das Mittel von Astrazeneca mit in ihre Impfkampagnen einzubeziehen.
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Berlin – Eigentlich sollten die Corona-Impfungen mit dem Präparat von Astrazeneca endlich Fahrt aufnehmen – und nun das. Nach einigen vorsorglichen Warnungen unter anderem aus großen Kliniken preschte am Dienstag zunächst das Land Berlin vor und setzte den Einsatz von Astrazeneca für Menschen unter 60 Jahre vorerst aus, weitere Länder folgten. Dabei gab es mit dem Mittel schon so viel hin und her: zugelassen, eingeschränkt, erweitert, ausgesetzt, wiederaufgenommen. Über das weitere Vorgehen wollten Impfexperten, Bund und Länder beraten. Klar ist: Die gesamte schwierige „Impfkampagne“wird nicht einfacher.
Was ist das Problem ?
Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) sprach von einer „Vorsichtsmaßnahme“. Wieder geht es um Auffälligkeiten mit Fällen von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen in zeitlichem Zusammenhang zu Impfungen, die vor allem bei jüngeren Frauen gemeldet wurden. Erst Mitte März hatte die Bundesregierung alle AstrazenecaImpfungen nach einer Empfehlung des zuständigen PaulEhrlich-Instituts (PEI) ausgesetzt – wie mehrere andere
Länder auch. Nach erneuten Prüfungen der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) gaben Bund und Länder nach vier Tagen Pause dann wieder grünes Licht – aber verbunden mit neuen Warnhinweisen für Ärzte und Patienten auf das Thrombose-Risiko.
Worum geht es genau ?
Es gibt Verdachtsfälle für eine spezielle Form von sehr seltenen Hirnvenenthrombosen (Sinusvenenthrombosen) in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie). Das Paul-Ehrlich-Institut, das solche Meldungen sammelt, konstatiert in seinem Sicherheitsbericht „eine auffällige Häufung“in zeitlicher Nähe zu Impfungen mit Astrazeneca.
Wie viele Verdachtsfälle gibt es bislang ?
Dem Institut wurden bis Montagmittag 31 Verdachtsfälle einer Sinusvenenthrombose nach der Impfung mit dem Corona-Impfstoff von Astrazeneca gemeldet. In 19 Fällen wurde zusätzlich eine Thrombozytopenie
gemeldet. In neun Fällen war der Ausgang tödlich.
Was weiß man über diese Verdachtsfälle ?
Mit Ausnahme zweier Fälle betrafen alle Meldungen Frauen im Alter von 20 bis 63 Jahren. Die beiden Männer waren 36 und 57 Jahre alt. Laut Impfquotenmonitoring des Robert Koch-Instituts (RKI) wurden bis einschließlich Montag 2,7 Millionen Erstdosen und 767 Zweitdosen von Astrazeneca verimpft.
Wie häufig ist diese Komplikation ?
Gemeldet wurde dem PaulEhrlich-Institut etwa ein Fall pro 100 000 Astrazeneca-Impfungen (Stand 19. März). Das ist wenig, aber dennoch häufiger als zu erwarten wäre, denn in der Normalbevölkerung ist es noch seltener: „Diese sehr seltene Gerinnungsstörung trat unter den Geimpften häufiger auf, als es zahlenmäßig aufgrund der Seltenheit dieser Gerinnungsstörung ohne Impfung zu erwarten wäre.“
Ist die Impfung die Ursache für diese Thrombosen ?
„Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nicht klar, ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen der Impfung und den Berichten über Immunthrombozytopenie gibt“, heißt es beim PEI. Bisher gebe es keinen Nachweis, dass das Auftreten dieser Gerinnungsstörungen durch den Impfstoff verursacht wurde.
Wie haben die Behörden die Sache bisher beurteilt ?
Für die EMA sind die Vorteile des Vakzins deutlich größer als die Risiken. Es wurde aber beschlossen, zu diesen sehr seltenen Ereignissen einen Warnhinweis in die Fach- und Gebrauchsinformationen aufzunehmen.