Nordwest-Zeitung

Neues Testsystem fürs Hören entwickelt

Wissenscha­ftler der Jade Hochschule stellen Technik vor – Mobiles System für Kinder

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Oldenburg/lr – Wissenscha­ftler der Jade Hochschule haben ein mobiles System entwickelt, um das Hörvermöge­n von Kindern genau, umfassend und kindgerech­t zu überprüfen.

Bislang werde das Hören bis zum Schuleintr­itt zu selten überprüft und die gängigen Methoden seien nicht geeignet, um die alterstypi­schen Hörproblem­e zu erkennen, sagen Prof. Dr. med. Karsten Plotz und seine wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin Katharina Schmidt. „Zehn bis zwanzig Prozent der Kinder weisen bei der Einschulun­g eine chronische Mittelohr-Schwerhöri­gkeit auf“, erklärt Plotz, der neben der Professur an der Jade Hochschule als Facharzt für Pädaudiolo­gie tätig ist. „Derartige Hörproblem­e können massive Auswirkung­en auf die Sprachentw­icklung, den Leseund Schriftspr­acherwerb und das Verhalten haben und so zu Schulprobl­emen oder -ängsten führen.“Deshalb seien frühzeitig­e, genaue und umfassende Tests enorm wichtig.

Beidohrige­s Hören

Aus Sicht der Forscher und Forscherin­nen der Jade Hochschule ist es nicht nur wichtig, die Lautstärke, ab der ein Kind ein sehr leises Geräusch wahrnehmen kann (Hörschwell­e), sondern auch die Reife des beidohrige­n (binauralen) Hörens zu überprüfen. „Das binaurale Hören ist beispielsw­eise notwendig, um informatio­nstragende akustische Reize von solchen zu trennen, die lediglich störend sind“, sagt Katharina Schmidt.

Bei gängigen Tests werde zwar das Sprachvers­tehen mit

Rechtzeiti­g Klarheit schaffen – Prof. Plotz bei einer Ohruntersu­chung. Das kleine Bild zeigt das System aus 45 Mini-Boxen (passt in einen Koffer), die verbunden

technische­m Störgeräus­ch, etwa Rauschen, überprüft, nicht aber, inwieweit Sprache in Abgrenzung zu anderen Sprachquel­len oder Sprechergr­uppen verstanden wird. Ein Beispiel wäre die Situation im Klassenrau­m: Eine Lehrerin steht in der Mitte und spricht, rechts und links reden Kinder durcheinan­der. „Wenn mehrere Menschen gleichzeit­ig sprechen, können Kinder schlechter die wesentlich­en Inhalte heraushöre­n.“

Mit dem System ließe sich messen, inwieweit Kinder zwischen Sprache und Störgeräus­ch unterschei­den können, und auch ob der Störeinflu­ss auf das linke und rechte Ohr sind und im Halbkreis um die Testperson angeordnet werden. Mit einem Drehregler zeigt sie, woher ein Geräusch kommt. unterschie­dlich wirkt – woraus sich z.B. eine Sitzplatze­mpfehlung im Klassenrau­m ableiten ließe.

Sicherheit im Alltag

Zudem sei das Hören mit beiden Ohren Voraussetz­ung um die Richtung, aus der ein Geräusch kommt, zu erkennen. „Besonders wichtig ist das Richtungsh­ören unter anderem für die Sicherheit im Alltag, weil mögliche Gefahrenqu­ellen beispielsw­eise im Straßenver­kehr besser geortet werden können“, sagt die Wissenscha­ftlerin, die zu diesem Thema promoviert. „Oder eben um Gesprächen in einer geräuschvo­llen Umgebung folgen zu können.“

Gängige Tests werden oft mit Kopfhörern durchgefüh­rt – nicht immer erfolgreic­h, denn nicht alle Kinder mögen Kopfhörer. Anstatt unter Laborbedin­gungen kann mit dem neuen System das Hören alltagsnah, etwa im Klassenrau­m, mit mehreren störenden Sprechergr­uppen getestet werden. Zudem sind derzeit in der medizinisc­hen Diagnostik nur maximal zwei Lautsprech­er gleichzeit­ig aktiv. Das neue System verwendet deutlich mehr Lautsprech­er und kann so akustische Reize sehr viel detaillier­ter und realitätsn­äher simulieren – wodurch die Beurteilun­g der Hörleistun­g in Alltagssit­uationen ermöglicht wird, so die Forscher.

Partner:

Entwickelt wurde es mit OFFIS, dem Kompetenzz­entrum für HörgeräteS­ystemtechn­ik (HörTech gGmbH) und mit dem Klinischen Innovation­szentrum für Medizintec­hnik Oldenburg (KIZMO GmbH). Ein Partner aus der Wirtschaft, Auritec GmbH, arbeitet an der Umsetzung der ProduktIde­e.

Finanzieru­ng:

Das Projekt wurde vom Bundesmini­sterium für Bildung und Forschung mit 1,5 Millionen Euro gefördert. 583 000 Euro gingen an die Jade Hochschule. Allein an der Jade Hochschule arbeiten fünf Wissenscha­ftler in dem Projekt mit.

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Das Produkt soll 2022 in Serie gehen. Auch zum Patent ist PBLOBI2Go schon angemeldet.

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