Kurzweiliges vom Vielschreiber
Japaner Haruki Murakami legt Band mit Erzählungen vor
Er gilt auch als Meister der ausschweifenden Werke, ohne sein Publikum dabei jemals zu langweilen. Erst vor wenigen Monaten erschien mit „Die Chroniken des Aufziehvogels“eine Neuübersetzung eines seiner Schlüsselwerke, über 1000 Seiten stark, ein Ziegel von Buch. Doch der Japaner Haruki Murakami, dauerhafter Anwärter auf den Literaturnobelpreis, überzeugt auch im kleinen Format. Bester Beweis: sein neuer Erzählband.
„Erste Person Singular“heißt das nur knapp über 200 Seiten kurze Konvolut, das neun Erzählungen umfasst, und wie inzwischen schon gewohnt von Ursula Gräfe ins Deutsche übertragen wurde. Es ist gewiss auch ihrer, längst mit einem Preis gewürdigten, hohen Kunst zu
Haruki Murakami verdanken, dass in diesen Kurzgeschichten erneut dieser typische Murakami-Ton zum Vorschein kommt. Der eine weltweite Fangemeinde Buch um Buch mit diesem ganz besonderen Blick auf die Welt und ihre Menschen verzaubert, dabei das Mystische, das Ungreifbare, das Rätselhafte mühelos in Szene treten lässt.
Welchem Autor glückt es sonst schon mit solcher Leichtigkeit, einen sprechenden Affen derart überzeugend in die Geschichte einzubinden, wie es Murakami in „Bekenntnisse eines Affen von Shinagawa“gelingt? Der Menschen von einem Augenblick auf den anderen aus der Geschichte nimmt, ohne dass sie jemals wieder in Erscheinung treten? Dabei deutet nicht nur der Titel der abschließenden Geschichte „Erste Person Singular“an, dass vieles vom Erzählten wohl auch im Leben des Haruki Murakami geschehen ist. Aber ein sprechender Affe? Wer mag das beim 72Jährigen anzweifeln...
Die Protagonisten der ausnahmslos lesenswerten Erzählungen sind oft Menschen, die zurückschauen, um das Gegenwärtige zu verstehen. Die reflektieren, was in der Vergangenheit Einfluss genommen hat auf das, was
Haruki Murakami: man heute ist. Was wäre anders verlaufen? Was sollte so sein? Und wie umgehen mit dem Einbruch des Surrealen, des schwer Vorstellbaren mitten hinein in die mühsam aufgebaute Existenz?
Haruki Murakami öffnet seinen Lesern den Blick, erweitert ihre Perspektiven, verbreitert den Horizont. Das ist wahrlich nicht wenig, und das funktioniert seit rund 30 Büchern – und wird hoffentlich noch lange Zeit so fortgesetzt. Und irgendwann, ja irgendwann, ist dann auch mal der Nobelpreis fällig.
Wenn Sie alt genug sind, um die Dunkelkammer zu kennen, dann sind Sie auch reif genug, um dieses Buch zu verstehen. Dann wissen Sie auch, was Über- und Unterbelichtungen sind – denn genau diese machen den Roman aus. Die dänische Autorin Christina Hesselholdt schrieb das Porträt einer radikal-manischen Fotografin, die 200 000 Bilder aufnahm, die meisten jedoch nie entwickelte. Durchgeknallt? Bestimmt – und ziemlich absurd. Da kommt sie schon an T. C. Boyle heran. Spannend ist zudem die als Skript angelegte Erzählperspektive, die die Handlung noch plastischer macht als es nötig gewesen wäre. Dass dieser Foto-Roman ohne Fotos auskommt, tut da nichts zur Sache. Die meisten Bilder übrigens blieben unentwickelt, weil dies zu teuer sei, und es keinen Spaß mache.
„Der Rolleiflex-Mensch“entgegnet Viv ihrer Betitelung als „The Kodak Girl“. Diese Menschen, muss man wissen, tragen die Mittelformatkamera vor dem Bauch und schauen sich die Welt von oben an.