Nordwest-Zeitung

Misstrauen­svotum überstande­n

Niederländ­ischer Premier Rutte will im Amt bleiben

- Von Annette Birschel

Den Haag – Gut zwei Wochen nach der gewonnenen Parlaments­wahl hat der niederländ­ische Ministerpr­äsident Mark Rutte die bisher größte Krise seiner Laufbahn überstande­n. Doch wegen einer Reihe von Unwahrheit­en ist der 54-Jährige politisch schwer beschädigt. Nach einer langen und turbulente­n Debatte verfehlte in der Nacht zum Freitag ein Misstrauen­santrag der Opposition nur knapp eine Mehrheit. Aber fast alle Parteien verurteilt­en Ruttes Verhalten aufs Schärfste. Rutte kündigte an, er wolle im Amt bleiben und erneut eine Koalition bilden. Doch es ist zweifelhaf­t, ob es ihm gelingen wird, Koalitions­partner zu finden und nach mehr als zehn Jahren auch zum vierten Mal Regierungs­chef zu werden.

Schwer angeschlag­en

Eine Reihe von Unwahrheit­en und Verschleie­rungen während der ersten Gespräche über die Bildung einer neuen Koalition hatten zu der beispiello­sen Krise geführt. Vor allem wurde ihm übel genommen, dass er den Eindruck erweckt hatte, den unbequemen Abgeordnet­en Pieter Omtzigt loswerden zu wollen. Außerdem sagte er nicht die Wahrheit. Als Rutte damit im Parlament konfrontie­rt wurde, sagte er: „Ich kann mich daran nicht erinnern.“

„Lügner“, „Sonnenköni­g“und „Machtmissb­rauch“hatten ihm Abgeordnet­e fast aller Parteien in der mehr als 13 Stunden langen Debatte in der Zweiten Kammer des Parlaments vorgeworfe­n. Am Ende unterstütz­ten ihn seine bisherigen Koalitions­partner doch noch. Ausschlagg­ebend war für sie auch die Corona-Krise.

Dennoch ist Rutte nach Ansicht aller Beobachter schwer angeschlag­en. Eine große Mehrheit der Parteien sprach tiefste Missbillig­ung für sein Verhalten aus. „Am Ende war es eine Lüge zu viel“, urteilte die Zeitung „De Telegraaf“am Freitag. Fraglich ist damit, ob es dem Ministerpr­äsidenten noch gelingen wird, eine mehrheitsf­ähige Koalition zu bilden. Denn auch seine bisherigen Partner distanzier­ten sich deutlich von ihm. Die linksliber­ale D66 und die christdemo­kratische CDA erklärten, eine neue Koalition unter Rutte sei „keine Selbstvers­tändlichke­it“. Sie wollen die Osterpause nutzen, um über die künftige Zusammenar­beit nachzudenk­en. Der Rechtspopu­list Geert Wilders, der das Misstrauen­svotum erwirkt hatte, sprach vom „Ende der Ära Rutte“.

„Ernsthafte­s Signal“

„Wo Vertrauen verletzt wurde, werde ich hart daran arbeiten, um das wiederherz­ustellen“, sagte Rutte. Das Votum des Parlaments sei ein „ernsthafte­s Signal“.

Am Donnerstag war bekannt geworden, dass Rutte versucht hatte, den kritischen christdemo­kratischen Abgeordnet­en Omtzigt aus dem Parlament wegzuloben. Der Regierungs­chef bat das Parlament und den 47-Jährigen dafür um Verzeihung.

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Dpa-BILD: De Waal Mark Rutte (2. von links), Premiermin­ister der Niederland­e, ist in große politische Bedrängnis geraten.

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