Unternehmen sollen mehr freiwillig testen
Gesundheitsministerin Behrens über Impfkampagne, Ausgangssperren und Modellkommunen
Frau Behrens, Sie sind jetzt knapp einen Monat im Amt. Gefällt Ihnen der Job als „Krisenmanagerin“? Daniela Behrens: Der Begriff „Krisenmanagerin“ist durchaus passend. Zu 95 Prozent beschäftige ich mich täglich mit dem Thema Corona.
Bei der Pandemie-Bekämpfung ist bisher vieles schiefgelaufen: von den Einladungsbriefen an Tote bis hin zu Nachbesserungen bei den Verordnungen. Warum wird es jetzt besser? Behrens: Wir mussten schnell eine komplett neue Organisation mit funktionierenden Impfzentren aufbauen. Leider haben wir nicht genug Impfstoff für acht Millionen Niedersachsen und müssen daher priorisieren. Inzwischen ist die Impfkampagne gut aufgestellt. Wir haben eine Hotline mit 650 Mitarbeitenden. Vergangene Woche haben wir 216 000 Impfungen durchgeführt. Es hat sich alles zurechtgerüttelt.
Aber noch immer vermissen viele der über 70-Jährigen ihre Einladungsbriefe. Behrens: Wir laden die über 70-Jährigen in mehreren Etappen ein. Sie können sich über die Hotline oder das Impfportal aber schon jetzt einen Termin geben lassen.
Sie wollen bis Mitte Juni der Mehrheit der Niedersachsen ein Impfangebot machen. Steht der Termin noch? Behrens: Ja, alle, die geimpft werden wollen, werden bis Herbst geimpft sein.
In Regionen mit einer Inzidenz von mehr als 150 gibt es nun nächtliche Ausgangssperren. Ist das überhaupt ein wirksames Instrument? Behrens: Wir haben im privaten Bereich eine muntere Mobilität. Das ist einer der Gründe für die hohen Infektionszahlen. Mit der Ausgangssperre kann man leicht beobachten, ob sich die Menschen an die Regeln halten. Es gibt Erfahrungen aus dem In- und Ausland: Überall dort, wo Ausgangsbeschränkungen verhängt werden, sinken die Inzidenzzahlen.
Viele Kontakte gibt es am Arbeitsplatz. Warum nehmen Sie die Arbeitgeber nicht stärker in die Pflicht? Behrens: Niedersachsen setzt auf freiwillige Vereinbarungen. Viele Unternehmen führen bereits Schnelltests durch. Lediglich 13 Prozent haben noch keine Teststrategie aufgelegt. Wir wollen den Unternehmen die Chance geben, das gut hinzubekommen. Vor allem große Firmen haben da eine Vorbildfunktion.
Sie wollen Modellprojekte in maximal 25 Kommunen zulassen, die Öffnungen im Bereich Handel Gastronomie und Kultur testen sollen. Wie passt das mit den steigenden Inzidenzzahlen zusammen? Behrens: Wir haben weite Teile des Einzelhandels, der Kultur und Gastronomie seit Monaten geschlossen. Trotzdem steigen die Inzidenzzahlen. Wir müssen mehr zum Infektionsgeschehen wissen. Für das Modellprojekt legen wir strenge Kriterien an. Notwendig sind die digitale Kontaktnachverfolgung, gut organisierte Testkonzepte und gute Hygiene- und Abstandsregeln. Ich glaube nicht, dass so viele Kommunen die hohen Hürden überspringen werden. Bei einem Inzidenzwert von 200 Neuinfizierten pro 100 000 Einwohnern binnen sieben Tagen werden wir den Versuch sofort abbrechen.
Das heißt, der Inzidenzwert ist ein entscheidendes Kriterium? Behrens: Ja, eine Stadt mit einer niedrigen Inzidenz hat sicherlich Vorrang vor einer Kommune mit einer hohen Inzidenz. Die Modellkommunen sollen Öffnungsperspektiven für Außengastronomie, Handel und Kultur bieten. Tübingen, Rostock und andere Städte zeigen, dass es geht, ein Stück Normalität zurückzugewinnen. Wir sind aber keine Hasardeure. Wenn das Infektionsgeschehen durch die Decke geht, brechen wir den Versuch sofort ab. Es handelt sich nicht um ein Projekt der Wirtschaftsförderung, sondern des Gesundheitsschutzes.
Wäre Oldenburg nicht ein idealer Ort? Immerhin soll die European Medical School (EMS) den Modellversuch wissenschaftlich begleiten. Behrens: Die wissenschaftliche Begleitung ist ein Bonuspunkt. Wenn das Oldenburger Konzept gut ist, hat es sicherlich eine Chance verdient.