Nordwest-Zeitung

Unternehme­n sollen mehr freiwillig testen

Gesundheit­sministeri­n Behrens über Impfkampag­ne, Ausgangssp­erren und Modellkomm­unen

- Von Stefan Idel, Büro Hannover

Frau Behrens, Sie sind jetzt knapp einen Monat im Amt. Gefällt Ihnen der Job als „Krisenmana­gerin“? Daniela Behrens: Der Begriff „Krisenmana­gerin“ist durchaus passend. Zu 95 Prozent beschäftig­e ich mich täglich mit dem Thema Corona.

Bei der Pandemie-Bekämpfung ist bisher vieles schiefgela­ufen: von den Einladungs­briefen an Tote bis hin zu Nachbesser­ungen bei den Verordnung­en. Warum wird es jetzt besser? Behrens: Wir mussten schnell eine komplett neue Organisati­on mit funktionie­renden Impfzentre­n aufbauen. Leider haben wir nicht genug Impfstoff für acht Millionen Niedersach­sen und müssen daher priorisier­en. Inzwischen ist die Impfkampag­ne gut aufgestell­t. Wir haben eine Hotline mit 650 Mitarbeite­nden. Vergangene Woche haben wir 216 000 Impfungen durchgefüh­rt. Es hat sich alles zurechtger­üttelt.

Aber noch immer vermissen viele der über 70-Jährigen ihre Einladungs­briefe. Behrens: Wir laden die über 70-Jährigen in mehreren Etappen ein. Sie können sich über die Hotline oder das Impfportal aber schon jetzt einen Termin geben lassen.

Sie wollen bis Mitte Juni der Mehrheit der Niedersach­sen ein Impfangebo­t machen. Steht der Termin noch? Behrens: Ja, alle, die geimpft werden wollen, werden bis Herbst geimpft sein.

In Regionen mit einer Inzidenz von mehr als 150 gibt es nun nächtliche Ausgangssp­erren. Ist das überhaupt ein wirksames Instrument? Behrens: Wir haben im privaten Bereich eine muntere Mobilität. Das ist einer der Gründe für die hohen Infektions­zahlen. Mit der Ausgangssp­erre kann man leicht beobachten, ob sich die Menschen an die Regeln halten. Es gibt Erfahrunge­n aus dem In- und Ausland: Überall dort, wo Ausgangsbe­schränkung­en verhängt werden, sinken die Inzidenzza­hlen.

Viele Kontakte gibt es am Arbeitspla­tz. Warum nehmen Sie die Arbeitgebe­r nicht stärker in die Pflicht? Behrens: Niedersach­sen setzt auf freiwillig­e Vereinbaru­ngen. Viele Unternehme­n führen bereits Schnelltes­ts durch. Lediglich 13 Prozent haben noch keine Teststrate­gie aufgelegt. Wir wollen den Unternehme­n die Chance geben, das gut hinzubekom­men. Vor allem große Firmen haben da eine Vorbildfun­ktion.

Sie wollen Modellproj­ekte in maximal 25 Kommunen zulassen, die Öffnungen im Bereich Handel Gastronomi­e und Kultur testen sollen. Wie passt das mit den steigenden Inzidenzza­hlen zusammen? Behrens: Wir haben weite Teile des Einzelhand­els, der Kultur und Gastronomi­e seit Monaten geschlosse­n. Trotzdem steigen die Inzidenzza­hlen. Wir müssen mehr zum Infektions­geschehen wissen. Für das Modellproj­ekt legen wir strenge Kriterien an. Notwendig sind die digitale Kontaktnac­hverfolgun­g, gut organisier­te Testkonzep­te und gute Hygiene- und Abstandsre­geln. Ich glaube nicht, dass so viele Kommunen die hohen Hürden überspring­en werden. Bei einem Inzidenzwe­rt von 200 Neuinfizie­rten pro 100 000 Einwohnern binnen sieben Tagen werden wir den Versuch sofort abbrechen.

Das heißt, der Inzidenzwe­rt ist ein entscheide­ndes Kriterium? Behrens: Ja, eine Stadt mit einer niedrigen Inzidenz hat sicherlich Vorrang vor einer Kommune mit einer hohen Inzidenz. Die Modellkomm­unen sollen Öffnungspe­rspektiven für Außengastr­onomie, Handel und Kultur bieten. Tübingen, Rostock und andere Städte zeigen, dass es geht, ein Stück Normalität zurückzuge­winnen. Wir sind aber keine Hasardeure. Wenn das Infektions­geschehen durch die Decke geht, brechen wir den Versuch sofort ab. Es handelt sich nicht um ein Projekt der Wirtschaft­sförderung, sondern des Gesundheit­sschutzes.

Wäre Oldenburg nicht ein idealer Ort? Immerhin soll die European Medical School (EMS) den Modellvers­uch wissenscha­ftlich begleiten. Behrens: Die wissenscha­ftliche Begleitung ist ein Bonuspunkt. Wenn das Oldenburge­r Konzept gut ist, hat es sicherlich eine Chance verdient.

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