Joseph Roth: Radetzkymarsch (1932)
Zum Ende der Weimarer Republik erschien, zunächst als Fortsetzungsroman in der „Frankfurter Zeitung“, der schönste Abgesang auf das kakanische Kaiserreich:
Joseph Roths „Radetzkymarsch“, die Geschichte derer von Trotta, die ihren Freiherrntitel dem Zufall zu verdanken haben, der einen der ihren ausersah, dem jungen Kaiser Franz Josef I. in der Schlacht bei Solferino das Leben zu retten.
Drei Generationen, fast sechzig Jahre, von 1859 bis 1916, umfasst die Romanhandlung. Mit dem Tod des Enkels stirbt der letzte Trotta, mit dem Tod von Kaiser Franz Josef I. ist auch das Habsburgerreich am Ende.
Die Frage, die der mittlere Trotta noch zustande bringt, bewegt auch Joseph Roth: „Ich verstehe nicht! Wie sollte die Monarchie nicht mehr dasein?“Und es ist diese unmittelbare Fassungslosigkeit, die Roths Geschichtsschreibung so anrührend macht.
Wie er den persönlichen Niedergang mit der Weltgeschichte parallel führt, mag man schematisch finden, wie er seine Szenen atmosphärisch mit vielen Adjektiven auflädt, exaltiert, wie er bisweilen seine parataktischen Satzgefüge rhythmisiert, pathetisch.
Und dass Roth vor Melodramatik nicht zurückscheut, ist evident. Dennoch ergibt sich ein großes Ganzes, ein Roman, der zumindest zwei der Voraussetzungen erfüllt, die Goethe für das Genialische gefordert hat: Naivität und Ironie.
Und dieser sanften Ironie ist zu verdanken, dass die Lektüre zum Vergnügen wird. Denn natürlich weiß auch Joseph Roth, dass längst hinfällig war, was hier vergangen ist, und dass der Ruin verdient war. Darum zu trauern, muss trotzdem erlaubt sein, vor allem wenn es so formvollendet geschieht und der Hinterbliebene ein so trauriges Ende nehmen musste wie Joseph Roth, der sich in seiner letzten Novelle selbst ein Denkmal gesetzt hat: „Die Legende vom heiligen Trinker“.
Das Buch: Joseph Roth: Radetzkymarsch (1932). Die Kolumne „Ein Jahrhundert – 100 Bücher“erscheint exklusiv in dieser Zeitung. Alle Folgen zum Nachlesen unter
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