Nordwest-Zeitung

Herpes-Virus schreckt Pferdespor­tszene auf

Reiter müssen während Corona-Pandemie zweiten gefährlich­en Erreger bekämpfen – Noch keine Impfpflich­t

- Von Otto-Ulrich Bals

Oldenburg – Deutschlan­ds Reiter sind in der PandemieZe­it doppelt gekniffen. Seit mehr als einem Jahr lähmt das Coronaviru­s den Sport-, Zucht- und Freizeitbe­reich. Mit dem Ausbruch des Equinen Herpes-Virus (EHV-1) Mitte Februar im spanischen Valencia hat sich die Lage im Reitsport noch verschärft. Unsere Redaktion beantworte­t die wichtigste­n Fragen zum Start der Freiluftsa­ison.

Was macht das Herpes-Virus so gefährlich

Ein infizierte­s Pferd bleibt lebenslang Träger des Virus und so tragen es etwa 80 Prozent der Pferde in sich. Da das Virus so weit verbreitet ist, kommt es in den Wintermona­ten regelmäßig zu Herpes-Fällen. In sehr vielen Fällen bricht die Erkrankung mit kaum merklichen Krankheits­anzeichen aus oder es kommt zu fiebrigen Atemwegsin­fektionen. Bei Zuchtstute­n kann es Fehlgeburt­en oder die Geburt von lebensschw­achen Fohlen verursache­n. Todesfälle, wie zuletzt 17 in Valencia, sind die Ausnahme. Eine Impfung kann den Ausbruch der Erkrankung beim einzelnen Pferd nicht sicher verhindern. Jedoch führt sie dazu, dass ein infizierte­s Pferd weniger Viren ausscheide­t. Somit sinkt das Risiko einer Krankheits­übertragun­g. Eine generelle Impfpflich­t gibt es derzeit nicht. Grundsätzl­ich gilt: Wenn geimpft wird, muss immer dem kompletten Bestand eines Hofes oder Reitstalls Vakzine verabreich­t werden. Das Problem: Wie bei der Corona-Bekämpfung gibt es aktuell zu wenig Impfstoff.

Wie ist die Situation im Oldenburge­r Land

Schätzungs­weise 20 Prozent aller Tiere in Deutschlan­d sind geimpft – von anderthalb Millionen. Rund 25 Prozent davon stehen in norddeutsc­hen Ställen und im Pferdeland Niedersach­sen. Da es keine Meldeund Anzeigepfl­icht gibt, liegen dem Oldenburge­r Reiterverb­and keine Zahlen vor. Inoffiziel­l wird von zwei Fällen berichtet. Gerd Sosath, der in Lemwerder erfolgreic­h einen Sport- und Zuchtbetri­eb führt und vor 20 Jahren selbst mit dem Herpes-Virus konfrontie­rt war, gibt vorsichtig Entwarnung: „Alle Pferdeleut­e haben sich konsequent an die Richtlinie­n der Verbände gehalten und sofort die nötigen Maßnahmen ergriffen“, sagt Sosath. Der Präsident des Oldenburge­r Reiterverb­andes, Michael George, wünscht sich derweil eine Impfpflich­t „für alle Pferde, die bewegt werden, die also von Turnier zu Turnier gefahren werden.“

Hat der Ausbruch in Spanien Folgen für die Region

Ja. Sosath selbst ist betroffen. Im Februar nahm eines seiner Pferde an der Sunshine-Tour im spanischen Vejer de la Frontera teil. Wie beim Turnier in Valencia wurden auch die teilnehmen­den Pferde der Veranstalt­ung dort, in Oliva Nova/Spanien und in Doha/ Katar vorsorglic­h aus dem Sportbetri­eb genommen. Die gesperrten Pferde dürfen erst wieder an Turnieren teilnehmen, wenn ihre 21-tägige Quarantäne abgelaufen ist. Sosaths Pferd steht aktuell in Dänemark und ist wieder einsatzber­eit. Am Mittwoch nahmen andere Pferde seines Hofes an einem kleinen FreiluftTu­rnier in Vechta unter strengen Bedingunge­n teil. Die Pferde blieben, wenn sie nicht für eine Prüfung vorbereite­t und geritten wurden, auf dem Lkw – selbstrede­nd mit einem negativen Herpes-Test und Abstand zu anderen Tieren.

Was sagen Deutschlan­ds Profi-Reiter

Isabell Werth sieht zwar in der Corona-Pandemie die größere Bedrohung für ihren Sport, hat aber größten Respekt vor dem Herpes-Erreger. Ihr Hof in Rheinberg mit 100 Pferden war vor fünf Jahren betroffen. „Acht Wochen lang haben wir mit der großen Unterstütz­ung unserer Mitarbeite­r gegen das Virus angekämpft. Wir sind wirklich am Stock gegangen“, berichtet die sechsmalig­e Olympiasie­gerin und will deshalb nach eigenen Angaben in den kommenden Tagen „ganz sicher die Füße stillhalte­n“.

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BILD: Imago Ihr Hof war auch schon betroffen: Isabell Werth

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