Wenn das Sehen mit der Zeit stark nachlässt
Menschen mit Sehschwäche sollten schon frühzeitig Hilfe annehmen
Im Nordwesten – Fernsehen, Theaterbesuche, ein Bummel durch die Stadt – nicht nur Corona kann solchen Erlebnissen etwas anhaben. Das wissen Menschen mit stark vermindertem Sehvermögen nur allzu genau. „Was das bedeutet, erleben wir eigentlich ständig“, weiß Elke Braune. Für die 71-Jährige, die schon früher stark kurzsichtig war, kam die fast komplette Erblindung vor rund zwei Jahren von einem Tag auf den anderen. „Es war eine Einblutung im Auge, die zu irreparablen Schäden an der Netzhaut führte“, berichtet die Oldenburgerin von dem einschneidenden Moment, der auf einmal ihre ganze Welt auf den Kopf stellte. Die Farbenpracht des idyllischen Gartens genießen oder ein gutes Buch lesen – all dies war auf einmal nicht mehr möglich, vielmehr sieht sie seitdem lediglich Umrisse. Ihre Familie unterstützte sie so weit es ging, dennoch musste da doch noch mehr sein.
Ein Verein nicht nur für Blinde
Elke Braune wandte sich an den Oldenburger „Blindenverein“, genauer gesagt an den Regionalverein des „Blindenund Sehbehindertenverbands Niedersachsen“. Was viele nicht wissen: Der Verein unterstützt nicht erst bei vollkommenem Verlust des Sehvermögens, sondern auch bereits bei zunehmender Sehschwäche. „Im Vordergrund steht die Beratung: Welche Hilfsmittel gibt es, wo kann ich Gelder beantragen, ab wann erhalte ich einen Schwerbehindertenausweis? Viele Menschen mit nachlassender Sehstärke haben meistens keine Informationen darüber, wann ihnen was zusteht“, berichtet Elke Braune, die sich inzwischen selbst sehr stark im Verein engagiert und eine Ausbildung zur „Blickpunkt Auge“-Beraterin gemacht hat – ein Angebot, das von Betroffenen und deren Angehörigen gern genutzt wird.
Schon früh Hilfe suchen
Auch für Brigitte Winter war der allmähliche Verlust ihres Augenlichts ein Schock. Bereits mit 54 Jahren begann der schleichende Verlauf der
Altersbedingten Makuladegeneration (AMD). Nur sieben Jahre später musste sie deswegen in Rente gehen. „Hätte ich damals gewusst, welche Möglichkeiten es gibt, hätte ich noch viel länger arbeiten können“, erzählt die Oldenburgerin, die heute mit 70 Jahren nur noch eine Sehkraft von fünf Prozent auf dem linken und neun Prozent auf dem rechten Auge hat. Auch, um anderen Menschen mit den unterschiedlichsten Sehbehinderungen das zu ersparen, was ihr widerfahren ist, ist sie selbst seit einigen Jahren im Verein aktiv und unterstützt andere, beispielsweise ebenfalls als „Blickpunkt-Auge“-Beraterin. „Es ist mir sehr wich
tig, dass es sich um ein niedrigschwelliges Angebot handelt, das frühzeitig genutzt werden kann.“
Bereits letztes Jahr im Januar hat sie gemeinsam mit Elke Braune und anderen Mitgliedern eine bereits existierende Selbsthilfegruppe mit viel Schwung neu gestartet. Außerdem wurde in Bad Zwischenahn die Gruppe „Sehnot“neu gegründet. Coronabedingt finden sie derzeit am Telefon statt. „Viele haben sich daran gewöhnt, zu Hause zu bleiben. Es geht aber auch anders“, sind sich die beiden
Frauen über die Vielfalt der Möglichkeiten einig, die einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität leisten.
Die Technik nutzen
Auf keinen Fall missen möchte Elke Braune ihr Smartphone. „Es gibt spezielle Apps, die Sehbehinderten den Alltag ungemein erleichtern. Beim Einkaufen lassen sich beispielsweise die Inhaltsstoffe abfotografieren und vorlesen, ebenso erschließen sich einem auf diese Weise lange Briefe und andere Texte. Ebenfalls
sehr gut sind Sprachassistenten, mit denen sich Anrufe und vieles mehr ausführen lassen“, sagt sie und freut sich auch über diese Teilhabe und dass sie dadurch in der Lage ist, vieles zu organisieren. „Ich möchte auch Vorträge auf den Weg bringen und Ärzte dafür sensibilisieren, dass sie Betroffene schon früh auf unsere Hilfen aufmerksam machen. Dabei geht es auch um die seelische Unterstützung, dass man sich einfach mal richtig über sein Schicksal auslassen darf und dass da jemand ist, der zuhören kann.“