Universitätsmedizin muss bittere Pille schlucken
Zahl der Erstsemester kann nicht wie angekündigt zum Wintersemester steigen – Land bleibt hinter Zusage zurück
Oldenburg/Hannover – Der Mangel an Ärzten verschärft sich in den nächsten Jahren drastisch: Eine Studie der Kassenärztlichen (KVN) im vergangenen Jahr hatte ergeben, dass die Zahl der Hausärzte in Niedersachsen von aktuell 5044 auf rund 3750 bis zum Jahr 2035 sinkt. „Jede Ausbaumaßnahme, insbesondere die European Medical School in Oldenburg, ist enorm wichtig, um die Lücke zu schließen“, hatte KVN-Sprecher Detlef Haffke dieser Zeitung gesagt.
Die Landesregierung hatte im Koalitionsvertrag 2017 vereinbart, die Zahl der MedizinStudienplätze in der Legislaturperiode bis 2022 schrittweise auszubauen. Der Großteil der 200 zusätzlichen Plätze solle in Oldenburg entstehen.
Im Juni 2020 stellte das Wissenschaftsministerium in einer Stellungnahme zum Bericht des Wissenschaftsrates in Aussicht, die Erstsemesterzahl in Oldenburg „um 40 Studierende zum Wintersemester 2021/22 und um weitere 80 Studierende zum WS 2024/25 auf final 200 Studierende“auszubauen.
Schon Ende 2018 hatte Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) in einer Pressemitteilung angekündigt, es sei geplant, zu den bestehenden 80 „Schritt für Schritt 140 zusätzliche Studienanfängerplätze (zu) schaffen“.
■ Doppelhaushalt
Daraus wird nun nichts. „Das Geld wurde nicht in den Landeshaushalt für das laufende Jahr aufgenommen“, sagte eine Sprecherin. „Der Zug ist abgefahren.“Alle Anstrengungen der Universität richteten
sich nun darauf, Mittel für den Aufwuchs in den Doppelhaushalt des Landes für die Jahre 2022/23 aufzunehmen. Die Weichen für „diesem Sommer“sind gestellt.
„Dabei haben wir sehr viele Unterstützer“, sagte die Sprecherin und verwies unter anderem auf den Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund, den Arbeitgeberverband Oldenburg, die IHK Oldenburg, die IHK Ostfriesland und Papenburg, die Arbeitsgemeinschaft der Landkreise und kreisfreien Städte in Weser-Ems und den Landesverband Oldenburg des Deutschen Roten Kreuzes.
Der Verein der Freunde und Förderer der Universitätsmedizin Nordwest verweist auf die wiederholten Zusagen der Landesregierung, den Medizinstandort Oldenburg auszubauen. „Studienplätze in Oldenburg
sind günstiger als an allen anderen Studienstandorten in Niedersachsen“, sagte der Vorsitzende Dr. Gerd Pommer. „Ich verstehe nicht, warum das Land nicht einen vergleichbar kleinen Betrag in die Hand nimmt, um den Aufwuchs zu ermöglichen.“
■ Landesrechnungshof Der Wissenschaftsrat hatte der 2012 angelaufenen European Medical School 2019 ein gutes Zeugnis ausgestellt. Es gebe allerdings „finanzielle und konzeptionelle Schwachstellen“, hießt es. Der Landesrechnungshof hatte mit Hinweis
auf diese Kritik die geplante Aufstockung im vergangenen Herbst kritisiert. Bei 200 Erstsemesterplätzen würde „die Aufnahmekapazität innerhalb von nur sechs Jahren verfünffacht“. Dafür sei das Oldenburger Konzept „derzeit nicht tragfähig“.
■ Das sagt der OB
Oldenburgs Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) nannte die Stagnation bei der Erstsemesterplätzen zum nächsten Wintersemester „bedauerlich“. Sie zeige, dass die „Region den hohen Druck auf die Landesregierung wie bisher aufrechterhalten“müsse. „Wir müssen in Hannover gemeinsam darauf dringen, dass die Zusagen zum Ausbau der European Medical School eingehalten werden – und zwar zeitnah“, sagte Krogmann.