Zwischen Thriller und Familientragödie
ARD zeigt am Sonntag hochwertigen Krimi – Hamburger Ermittler sind Russenmafia auf der Spur
neuen Kollegen Chuck Aule nach Shutter Island auf. Die Ärzte und Pfleger verhalten sich gegenüber den beiden Ermittlern wenig kooperativ und Daniels ahnt schnell, dass sich hinter den Mauern der Psychiatrie ein düsteres Geheimnis verbirgt. Wird auf der Insel etwa an Menschen experimentiert? Daniels Ermittlungen werden zusätzlich durch seine Flashbacks erschwert. Immer wieder holen ihn die Erinnerungen an seinen Wehrdienst im Zweiten Weltkrieg ein. Und schon bald kann der Marshall nicht mehr zwischen Realität und dem Lügennetz unterscheiden, in das er sich immer mehr verstrickt.
Hamburg – Angehörige der sogenannten Russenmafia sind im Fernsehkrimi relativ leicht zu erkennen: Sie tragen die Haare gern ultrakurz oder lassen sie gleich ganz weg, haben einen stechenden Blick, muskulöse Oberarme und die Wodkaflasche immer in Reichweite. Ganz anders im neuen „Tatort“: Die Mitglieder dieser schwerkriminellen russischen Familie spielen Klavier, haben gehobene Umgangsformen und teure Möbel in geschmackvollen Villen. Außerdem wirken die kultivierten Timofejews mit ihren fein geschnittenen Gesichtern auch rein optisch eher wie eine Künstlerfamilie.
Erfrischend anders
Das ist natürlich reine Absicht, denn Regisseur und Drehbuchautor Niki Stein schert sich nicht um Klischees und lässt in seinem neuen Krimi „Tatort: Macht der Familie“an diesem Sonntag (20.15 Uhr, Das Erste) immer wieder Motive aus den großen russischen Romanen des 19. Jahrhunderts anklingen: Es geht wie bei Tolstoi oder Dostojewski um Schicksal, Liebe, Schuld, Vergebung und um unauflösbare Familienbande – eine erfrischend ungewöhnliche
Ermittler Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und seine Kollegin Katja (Anja Taschenberg) sind im neuen Tatort „Macht der Familie“einem kriminellen Clan auf der Spur.
Herangehensweise an einen Fernsehkrimi, die abgesehen von einem logischen Mangel voll aufgeht.
Die in Hamburg und Umgebung lebenden Timofejews verkaufen tagsüber Landmaschinen und verhökern nachts Raketen, Bomben und andere Kriegswaffen. Die Bundespolizei um den erfahrenen Ermittler Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und die frisch beförderte Julia Grosz (Franziska
Weisz) ist dank eines verdeckten Ermittlers kurz davor, der Sippe um Patriarch Victor Timofejew (Wladimir Tarasjanz) das Handwerk zu legen.
Dann geht alles schief. Der Undercover-Ermittler wird in ein Privatflugzeug gelotst, das über dem Mittelmeer explodiert. Grosz, die den Einsatz geleitet hat, ist am Boden zerstört, doch sie gibt nicht auf: Mit Timofejews Nichte Marija (Tatiana Nekrasov) will sie das
Attentat aufklären und dem Clan das Handwerk legen. Falke, der Marjia von früher kennt, ist nicht begeistert.
Weit hergeholt
Regisseur Niki Stein hat seinen neuen „Tatort“als Mischung aus Familientragödie und Thriller aufwendig inszeniert und beweist dabei sein gutes Gespür für atmosphärische Drehorte: Die Szenen
spielen am Hafen oder im mondänen Jagdhaus der Timofejews – das verleiht dem Krimi eine hochwertige Optik.
Dazu kommt ein spannender Plot, der nur einen kleinen Schönheitsfehler hat: Dass ausgerechnet Marjia als Ermittlerin gegen ihre eigene Familie mobilisiert wird, ist ziemlich weit hergeholt. Sehenswert ist der neue „Tatort“mit dem Duo Falke/Grosz aber trotzdem.