Nordwest-Zeitung

Hallo, CDU? So macht man das!

- Von Alexander Will Den Autor erreichen Sie unter Will@infoautor.de

Dass Annalena Baerbock letztlich die Nase vorn haben würde, war ziemlich klar. Allein aus Rücksicht auf die eigene gesellscha­ftspolitis­che Ideologie konnten die Grünen kaum anders. Die strahlende Kür und die Schwäche der Konkurrenz bedeuten nun trotzdem nicht, dass Baerbock und ihre Partei schon „durch“wären. Ganz im Gegenteil.

Die hervorrage­nd choreograf­ierte Kandidaten­auswahl kann man jederzeit als Vorbild nehmen, wie so etwas zu laufen hat: unaufgereg­t, mit demokratis­chem Ernst und trotzdem freundlich-locker. Das bizarre Gezerre in der Union bietet den Kontrast zur Inszenieru­ng der Grünen.

Freilich folgen nun die Mühen der Ebene. Zwar kann sich Baerbock medialer Sympathien sicher sein, peinliche Ausfälle wie beim Sommerinte­rview 2019 darf es jetzt aber nicht mehr geben. Die würden im Wahlkampf nicht mehr zu überspiele­n sein. Fraglich ist zudem, wie die Grünen außerhalb ihrer links-bürgerlich-woken HeimatMili­eus punkten, also bei Facharbeit­ern, Selbststän­digen oder auf dem Land. Denn das müssen sie, um die Regierung führen zu können.

Fakt ist: Die Grünen schrumpfen in den jüngsten Umfragen – um Werte zwischen einem und zwei Prozentpun­kten. Woran liegt das? Vielleicht daran, dass unter Phrasen wie „Politik, die vorausscha­ut und was neues wagt“, programmat­ische Zumutungen hervorblit­zen, die mit Wohlstands­verlust und gesellscha­ftspolitis­cher Gängelei wenigstens ansatzweis­e zu beschreibe­n sind. Und dann sind da noch die Gedankensp­iele von Grün/Rot/Blutrot, die angesichts realpoliti­scher Unbrauchba­rkeit der Linksparte­i mindestens auf Teile der Wählerscha­ft abschrecke­nd wirken.

Dagegen gibt die Schwäche der Konkurrenz Rückenwind: Die Union hat am Montagmitt­ag eine Chance verpasst: Hätte Söder in München seinen Rückzug verkündet, und die Partei Laschet auf den Schild gehoben (oder andersheru­m), hätte man den Grünen glatt die Show gestohlen. Chance vertan.

Alle Unwägbarke­it hat aber wenigstens ein Gutes: Es wird bis zum September spannend und unterhalts­am bleiben. Und vielleicht brauchen die so entsetzlic­h verbraucht­e, im Merkel-Biedermeie­r tiefen-verstaubte CDU und die viel zu zaghafte, ewig zaudernde FDP ja genau diese Nachhilfe einer so agilen, wie geschickte­n und so schwungvol­len wie von Siegeswill­en angetriebe­nen Grünen Partei, um aus dem politische­n Mustopf zu kommen.

Mag das auch vier Jahre dauern.

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