Hallo, CDU? So macht man das!
Dass Annalena Baerbock letztlich die Nase vorn haben würde, war ziemlich klar. Allein aus Rücksicht auf die eigene gesellschaftspolitische Ideologie konnten die Grünen kaum anders. Die strahlende Kür und die Schwäche der Konkurrenz bedeuten nun trotzdem nicht, dass Baerbock und ihre Partei schon „durch“wären. Ganz im Gegenteil.
Die hervorragend choreografierte Kandidatenauswahl kann man jederzeit als Vorbild nehmen, wie so etwas zu laufen hat: unaufgeregt, mit demokratischem Ernst und trotzdem freundlich-locker. Das bizarre Gezerre in der Union bietet den Kontrast zur Inszenierung der Grünen.
Freilich folgen nun die Mühen der Ebene. Zwar kann sich Baerbock medialer Sympathien sicher sein, peinliche Ausfälle wie beim Sommerinterview 2019 darf es jetzt aber nicht mehr geben. Die würden im Wahlkampf nicht mehr zu überspielen sein. Fraglich ist zudem, wie die Grünen außerhalb ihrer links-bürgerlich-woken HeimatMilieus punkten, also bei Facharbeitern, Selbstständigen oder auf dem Land. Denn das müssen sie, um die Regierung führen zu können.
Fakt ist: Die Grünen schrumpfen in den jüngsten Umfragen – um Werte zwischen einem und zwei Prozentpunkten. Woran liegt das? Vielleicht daran, dass unter Phrasen wie „Politik, die vorausschaut und was neues wagt“, programmatische Zumutungen hervorblitzen, die mit Wohlstandsverlust und gesellschaftspolitischer Gängelei wenigstens ansatzweise zu beschreiben sind. Und dann sind da noch die Gedankenspiele von Grün/Rot/Blutrot, die angesichts realpolitischer Unbrauchbarkeit der Linkspartei mindestens auf Teile der Wählerschaft abschreckend wirken.
Dagegen gibt die Schwäche der Konkurrenz Rückenwind: Die Union hat am Montagmittag eine Chance verpasst: Hätte Söder in München seinen Rückzug verkündet, und die Partei Laschet auf den Schild gehoben (oder andersherum), hätte man den Grünen glatt die Show gestohlen. Chance vertan.
Alle Unwägbarkeit hat aber wenigstens ein Gutes: Es wird bis zum September spannend und unterhaltsam bleiben. Und vielleicht brauchen die so entsetzlich verbrauchte, im Merkel-Biedermeier tiefen-verstaubte CDU und die viel zu zaghafte, ewig zaudernde FDP ja genau diese Nachhilfe einer so agilen, wie geschickten und so schwungvollen wie von Siegeswillen angetriebenen Grünen Partei, um aus dem politischen Mustopf zu kommen.
Mag das auch vier Jahre dauern.
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