Klare Ansage dank neuem Selbstvertrauen
Annalena Baerbock soll die Grünen zum Sieg bei der Bundestagswahl führen
Berlin – Wer die beiden Grünen-Parteichefs ankommen sah, konnte die Entscheidung schon erahnen. Annalena Baerbock fuhr beim Berliner Veranstaltungszentrum Malzfabrik am Montag im abgedunkelten Bulli mit Polizeieskorte und Leibwächter vor. Robert Habeck kam allein, zu Fuß und mit Kapuzenpulli. Wenig später war es offiziell: Die 40-jährige Baerbock führt ihre Partei als erste grüne Kanzlerkandidatin in den Bundestagswahlkampf – die Zustimmung des
Bundesparteitags Mitte Juni kann man voraussetzen. Die Vorstellung übernahm der Mann, der selbst gern an ihrer Stelle gestanden hätte. Habeck räumte ein, er hätte es auch gewollt, aber am Ende könne es nur eine machen: „Wir haben in vertrauten, intensiven, offenen, manchmal schwierigen Gesprächen miteinander um die beste Lösung gerungen.“Baerbock sagte: „Das ist emotional für beide gewesen.“
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Neuer Politikstil
Der Gegensatz zur Union, der die Grünen das Kanzleramt abjagen wollen, könnte kaum größer sein. Seit rund einer Woche streiten die beiden Leitwölfe Markus Söder (CSU) und Armin Laschet (CDU) um die Kandidatur für das höchste Regierungsamt.
Die Grünen predigen einen neuen Politikstil. „Ich wollte immer, dass Macht so interpretiert wird, dass Führung so gelebt wird, dass man aneinander wächst und sich nicht gegenseitig die Beine wegtritt“, sagte Habeck. Baerbock lobt er als „kämpferische, fokussierte, willensstarke Frau, die genau weiß, was sie will und die die grüne Programmatik
in diesem Wahlkampf mit Leidenschaft vertreten wird“. Er versprach: „Ich selbst werde mich mit allem, was ich kann, mit voller Kraft, in diesen Wahlkampf werfen.“Die Tatsache, dass sie eine Frau ist, habe eine Rolle gespielt, sagte Baerbock, aber: „Viele, viele andere Fragen haben auch eine Rolle gespielt.“
Dabei waren grüne Doppelspitzen in der Vergangenheit wahrlich kein Harmoniegarant: Noch die Vorgänger der aktuellen Führung, Cem Özdemir und Simone Peter, lagen häufig über Kreuz, immer wieder gab es Kompetenzgerangel. Baerbock und Habeck half auch, dass sie nicht als Vertreter der Flügel von Realos und Linken ins Amt kamen. Und schließlich dürften die Umfragewerte von rund 20 Prozent ein Übriges tun, um die Reihen zu schließen.
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Kaum Erfahrung
Anders als Habeck, der in Schleswig-Holstein mehrere Jahre Umweltminister und Vize-Ministerpräsident war, war Baerbock noch nie Ministerin. Sie versucht erst gar nicht, das Manko wegzureden. „Wenn jetzt Regierungserfahrung das einzige Kriterium wäre, dann könnten wir einfach auch mit der Großen Koalition weitermachen“, erklärte sie – jetzt sei die Zeit für einen Neuanfang. „Und dafür bringe ich Entschlossenheit, Durchsetzungskraft und einen klaren Kompass und Lernfähigkeit mit. Ich glaube all das, was es für ein solches Amt braucht.“
Überhaupt trat Baerbock selbstbewusst auf. Die Frage nach Partnern in einer Regierung mit grüner Beteiligung ließ sie offen, unterstrich aber den Führungsanspruch ihrer Partei: „Wir treten an, um dieses Land an führender Stelle in die Zukunft zu führen, und zwar inhaltlich und personell.“