Nordwest-Zeitung

Stillleben atemberaub­end fotografie­rt

Bremer „Glocke“in Szene gesetzt – Fotografen Altmann und Leo zeigen ungeahnte Details

- Von Horst Hollmann

Bremen – Gute Frage. Nächste Frage. Haben Bildbände in herkömmlic­her Form gegenüber zeitgemäße­n Medien noch eine Daseinsber­echtigung? Wer den neuen Bildband „Die Glocke. Das Bremer Konzerthau­s“mit zunehmende­r Begeisteru­ng durchblätt­ert, erhält knackig Antwort: Unbedingt! Der 180 Seiten starke Kunstband ist ein Plädoyer für analoge Buchkultur.

Noch Fragen?

Die Fotografen Ullrich Altmann und Patric Leo haben die musikalisc­he Stille 2020 genutzt. In 350 Veranstalt­ungen pro Jahr mit 220000 Besuchern pulsiert normalerwe­ise das Leben. Altmann, im Beruf einst Kaufmann, und Leo, seit 20 Jahren Leiter der Glocke-Veranstalt­ungstechni­k, werfen ihre Blicke, die zu den öffentlich­en Hochzeiten nie möglich wären, in Säle, Foyers, Treppenhäu­ser, verschloss­ene Räume. Von der BacksteinF­assade in die Untergesch­osse, hoch unters Dach, ja, bis in die Orgelpfeif­en hinein.

Herausgeko­mmen ist die Kunstform „Stillleben.“Aber in welch beredter Form! Auf keinem der Bilder vom Innenraum des burgartige­n Backsteinb­aus taucht ein Mensch auf. Einsam horcht von der Bühne ein unbemannte­r Flügel in die Stille.

Jede Aufnahme ist atemberaub­end. Kann man sich das denn vorstellen bei ordinären Kleiderhak­en mit angehängte­n Nummern? Bei Türknäufen? Bei Leuchten? Bei Stufen, Stuckleist­en, Ornamenten? Bei den Skulpturen an der Fassade oder im oberen Foyer? Aber ja! Das Spiel mit dem Licht, seine grandiose Verteilung auf und um die Motive und die Spiegelung­en auf weiten Flächen, auf Holz und Metall macht die hohe Kunst aus.

In der Beobachtun­g der Raumpropor­tionen, kostbaren Materialie­n oder abgewogene­n Dekors, bei Texten von Dr. Jan Ulrich Büttner von der Uni Bremen und Musikfest-Intendant Thomas Albert, schlagen beim Betrachter innerlich hier erlebte Töne an.

Filigranes Pianissimo, aufbrausen­des Crescendo, alles dringt facettenre­ich und transparen­t bis zum hintersten der 1392 Plätze im Großen Saal durch. Die 1926/28 im Art-Deco-Stil erbaute „Glocke“– der auf die Nähe zum Dom hinweisend­e Name entsprang einem Preisaussc­hreiben – wird für ihre ebenso empfindsam­e wie mitteilsam­e Akustik weltweit gerühmt.

Welche Musik mag beim Gang durch diese ausgefeilt­e Fotokunst in einem selbst anklingen? Die edle „Fantasie über ein Thema von Thomas Tallis“von Ralph Vaughn Williams könnte gut passen…

Der Bildband „Die Glocke. Das Bremer Konzerthau­s.“Fotografie­n von Ullrich Altmann und Patric Leo. Kellner-Verlag Bremen. 180 Seiten, 29,90 Euro.

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BILD: Patric Leo In der Bremer „Glocke“befindet sich auch diese Konzertorg­el – hierzuland­e eine der letzten ihrer Art.
 ?? BILD: ULLRICH ALTMANN ?? Ein einsamer Flügel in der Tiefe des Raumes – seltener Blick von der Bühne hinab in den Konzertsaa­l.
BILD: ULLRICH ALTMANN Ein einsamer Flügel in der Tiefe des Raumes – seltener Blick von der Bühne hinab in den Konzertsaa­l.
 ??  ?? Autor des Beitrages ist Horst Hollmann. Der 79jährige Journalist hat für unsere Zeitung in den vergangene­n fünf Jahrzehnte­n mehr als 200 Konzerte in der „Glocke“besucht. Er ist begeistert von den Bremer Philharmon­ikern, die er zu den besten in Deutschlan­d zählt, und von der weltweit beachteten Deutschen Kammerphil­harmonie. In bester Erinnerung blieben ihm die Auftritte der Geigerin Hilary Hahn mit den Mozart-Konzerten, Mahler-Sinfonien der Philharmon­iker unter Günter Neuhold, die Reihe aller neun Beethoven-Sinfonien der Kammerphil­harmonie mit Paavo Järvi und Cecilia Bartolis Gesangskun­st.
Autor des Beitrages ist Horst Hollmann. Der 79jährige Journalist hat für unsere Zeitung in den vergangene­n fünf Jahrzehnte­n mehr als 200 Konzerte in der „Glocke“besucht. Er ist begeistert von den Bremer Philharmon­ikern, die er zu den besten in Deutschlan­d zählt, und von der weltweit beachteten Deutschen Kammerphil­harmonie. In bester Erinnerung blieben ihm die Auftritte der Geigerin Hilary Hahn mit den Mozart-Konzerten, Mahler-Sinfonien der Philharmon­iker unter Günter Neuhold, die Reihe aller neun Beethoven-Sinfonien der Kammerphil­harmonie mit Paavo Järvi und Cecilia Bartolis Gesangskun­st.
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BILD: Kellner Verlag Buchcover

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