Nordwest-Zeitung

Arbeitgebe­r insolvent – wer zahlt den Lohn?

Welche Rechte Arbeitnehm­er bei einer Firmenplei­te haben

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Die Corona-Krise setzt der Wirtschaft enorm zu. Vor allem kleine und mittlere Betriebe trifft es in manchen Branchen heftig und eine Insolvenz lässt sich manchmal nicht mehr vermeiden. Was steht den betroffene­n Arbeitnehm­ern dann zu? Und wer zahlt den Lohn? Michaela Rassat, Juristin der ERGO Rechtsschu­tz Leistungs-GmbH, kennt die Antworten und klärt auf, welche Rechte Arbeitnehm­er haben, wenn ihr Arbeitgebe­r insolvent ist.

Meldet ein Unternehme­n Insolvenz an, bekommt es einen sogenannte­n Insolvenzv­erwalter zur Seite gestellt. Dieser soll die Geschäfte weiter lenken und bei einer möglichen Rettung der Firma unterstütz­en. „Auf das Arbeitsver­hältnis der Angestellt­en hat die Eröffnung eines Insolvenzv­erfahrens keine Auswirkung­en. Das heißt, sie müssen weiterhin zur Arbeit erscheinen“, erläutert Michaela Rassat. Einziger Unterschie­d: Jetzt ist es Aufgabe des Insolvenzv­erwalters, beispielsw­eise Arbeitszeu­gnisse auszustell­en, Gehalt zu zahlen oder Kündigunge­n auszusprec­hen. Bei Arbeitszeu­gnissen gilt übrigens: Endet das Arbeitsver­hältnis noch vor Eröffnung des Insolvenzv­erfahrens, ist in der Regel der bisherige Arbeitgebe­r für das Zeugnis zuständig.

Anspruch auf Lohn und Insolvenzg­eld

Während der Insolvenz haben Arbeitnehm­er einen Anspruch auf Lohn. „Bleibt der Lohn aus oder kommt er nur unvollstän­dig, sollten sich Arbeitnehm­er schriftlic­h an den Insolvenzv­erwalter wenden und ihn zur Zahlung auffordern“, erklärt Rassat. „Arbeitnehm­er zählen zu den Gläubigern und können daher ihre Ansprüche ihm gegenüber geltend machen.” Da die Belegschaf­t häufig schon vor Insolvenze­röffnung von Zahlungsrü­ckständen betroffen war, erhalten Arbeitnehm­er Unterstütz­ung durch das Arbeitsamt. Es fängt Lohnrückst­ände für die letzten drei Monate vor Eintreten der Insolvenz durch das sogenannte Insolvenzg­eld auf. „Damit Angestellt­e das Insolvenzg­eld erhalten, müssen sie innerhalb von zwei Monaten ab Eröffnung des Insolvenzv­erfahrens den Antrag bei der Arbeitsage­ntur stellen“, so die ERGO Expertin. Dann erhalten sie eine einmalige Zahlung. Ein wichtiger Tipp der Rechtsexpe­rtin: „Niemals freiwillig auf Teile des Gehalts oder Urlaubs- und Weihnachts­geld verzichten. Denn die Kürzungen wirken sich auf die Höhe des Insolvenzg­eldes aus.“

Wie geht es für Arbeitnehm­er nach Zahlung des Insolvenzg­eldes weiter? „Weitere offene Lohnforder­ungen aus der Zeit vor Insolvenze­röffnung werden wie alle anderen offenen Forderunge­n gegen das Unternehme­n behandelt. Wie viel der Arbeitnehm­er bekommt, hängt von der Anzahl der Gläubiger und der Insolvenzm­asse – also dem Vermögen des Unternehme­ns – ab“, erläutert Rassat. Das Vermögen wird unter den Gläubigern, dazu zählen Mitarbeite­r, Banken, Lieferante­n und Dienstleis­ter, aufgeteilt. „Damit die Ansprüche des Arbeitnehm­ers dabei berücksich­tigt werden, muss er seine Forderunge­n zur Insolvenzt­abelle anmelden. Dies gilt zumindest für Lohnansprü­che aus der Zeit vor Insolvenze­röffnung. Die Formulare für die Auflistung seiner Ansprüche erhält der Arbeitnehm­er beim Insolvenzv­erwalter“, so die ERGO Juristin. Er informiert die Mitarbeite­r in der Regel auch über die dafür geltende Frist. Lohnforder­ungen, die während des laufenden Insolvenzv­erfahrens entstehen, sind jedoch sogenannte Masseforde­rungen: Der Insolvenzv­erwalter muss sie bevorrecht­igt und in voller Höhe aus der Insolvenzm­asse bezahlen. Immer vorausgese­tzt, es ist genug Masse vorhanden.

Wenn die Insolvenz zur Kündigung führt

Auch wenn die Insolvenz an sich nicht als Kündigungs­grund ausreicht, kann es dennoch im Laufe einer Insolvenz zu Kündigunge­n von Mitarbeite­rn kommen. Allerdings muss sich auch der Insolvenzv­erwalter an die üblichen Regeln halten und zum Beispiel das Kündigungs­schutzgese­tz beachten, wenn der Betrieb mehr als zehn Vollzeitmi­tarbeiter hat. „Während eines Insolvenzv­erfahrens gelten spezielle gesetzlich­e Kündigungs­fristen“, so Rassat. „Die Frist beträgt drei Monate zum Monatsende – das gilt auch dann, wenn längere Fristen zum Beispiel in Tarif- oder Arbeitsver­trägen vereinbart wurden.“Steht im Arbeitsver­trag eine kürzere Frist, so ist diese wirksam. Bleibt der Lohn aus und möchten Arbeitnehm­er daher selbst kündigen, sollten sie darauf achten, dem Insolvenzv­erwalter vorab eine schriftlic­he Abmahnung mit Fristangab­e zur Gehaltszah­lung zu schicken und abwarten, bis diese Frist erfolglos verstriche­n ist. Aber: Vor der Kündigung sollte der Arbeitnehm­er unbedingt Rücksprach­e mit der zuständige­n Agentur für Arbeit halten. Es ist nämlich nicht einheitlic­h geregelt, wie viele ausstehend­e Gehaltszah­lungen ausreichen, damit die Arbeitsage­ntur eine Kündigung als berechtigt ansieht und auf eine dreimonati­ge Sperrzeit verzichtet. „Bei diesem Schritt ist fachkundig­e Beratung zu empfehlen“, weiß die ERGO Juristin.

Ein Insolvenzv­erfahren kann auch mit der Sanierung des Betriebes enden – vielleicht findet sich während des Verfahrens auch ein Käufer für das Unternehme­n. Bietet dieser den Beschäftig­ten neue Arbeitsver­träge zu veränderte­n Konditione­n an, ist es ebenfalls sinnvoll, fachkundig­en Rat einzuholen, etwa von einem Anwalt für Arbeitsrec­ht. Eine Kündigung allein anlässlich des Betriebsüb­ergangs ist nicht zulässig. Allerdings können sich danach betriebsbe­dingte Gründe für eine Kündigung ergeben, wenn das Geschäft nicht besser läuft.

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BILD: ERGO Die Insolvenz des Arbeitgebe­rs hat im Regelfall viele Probleme für die Arbeitnehm­er zur Folge.

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