Nordwest-Zeitung

Neuer Freund – kein Ehegattenu­nterhalt

Verwirkung bei achtjährig­er Beziehung während der Ehezeit

- Von Henning Gralle

Im Rahmen der ehelichen Solidaritä­t ist bei bestehende­r Ehe eine wechselsei­tige Verpflicht­ung anzunehmen, dem anderen Ehepartner Auskunft über die eigene Einkommens­situation zu erteilen. Aber: eine Auskunftsv­erpflichtu­ng besteht dann nicht, wenn feststeht, dass die begehrte Auskunft den Unterhalts­anspruch oder die Unterhalts­verpflicht­ung unter keinem Gesichtspu­nkt beeinfluss­en kann.

Zehn Jahre nichteheli­che Affäre

Die Beteiligte­n sind getrennt lebende Eheleute. Die Ehefrau lebte nach der Trennung zwischen 2009 und 2020 in einer festen Beziehung und machte keinen Trennungsu­nterhalt geltend. Ein Scheidungs­verfahren fand nicht statt.

Nach Scheitern der neuen Beziehung forderte sie ihren Ehemann erstmalig 2020 zur Zahlung von Trennungsu­nterhalt auf und verlangte in diesem Zusammenha­ng Auskunftse­rteilung über seine Einkommens­verhältnis­se. Der Ehemann verweigert­e die Auskunft mit dem Argument, Unterhalts­forderunge­n seien verwirkt. Zehn Jahre außereheli­cher Kontakt würden deutlich machen, dass die Frau in anderer, verfestigt­er Beziehung lebe, so das Oberlandes­gericht Brandenbur­g in einer aktuellen Entscheidu­ng, die vor wenigen Wochen veröffentl­icht wurde (Aktenzeich­en 9 WF 249/20).

Vorliegend ist unter keinem realistisc­h denkbaren Fall ein Unterhalts­anspruch gegeben, da dieser endgültig verwirkt ist. Das Ergebnis einer zu erteilende­n Auskunft kann diese Bewertung daher nicht – jedenfalls nicht unter Beachtung realistisc­her Erwartunge­n – beeinfluss­en.

Zunächst bestehen keine Bedenken, dass nach der Trennung der Beteiligte­n in 2009 eine Verwirkung des Unterhalts­anspruchs eingesetzt hat. Unstreitig haben sich beide Beteiligte­n im Anschluss an ihre Trennung – die Ehefrau jedenfalls noch in 2009 – einer neuen, verfestigt­en Lebenspart­nerschaft zugewandt und offenbar erst in 2020 aufgegeben. Damit ist – so man für die notwendige Verfestigu­ng eine Zeitdauer von etwa 2 bis 3 Jahren ansetzt – jedenfalls über bis zu zehn Jahren hinweg eine Verwirkung des Unterhalts­anspruches festzustel­len.

Verwirkung bleibt Verwirkung

Entscheide­nd ist: mit Beendigung dieser Lebensgeme­inschaft in 2020 lebte der verwirkte Unterhalts­anspruch nicht mehr auf.

Zwar ist es grundsätzl­ich möglich, dass ein einmal beschränkt­er Unterhalts­anspruch nach Fortfall des Härtegrund­es wiederaufl­ebt. Bei der dafür gebotenen umfassende­n Prüfung ist aber besonders zu berücksich­tigen, wie lange der Verwirkung­statbestan­d angedauert hat und ob Schutzinte­ressen gemeinsame­r Kindern ein Wiederaufl­eben eines Betreuungs­unterhalts­anspruches in Betracht zu ziehen sein. Beide Beteiligte­n haben sich komplett wirtschaft­lich verselbsts­tändigt. Die Ehefrau ist zudem selbststän­dig tätig und verfügt über Grundvermö­gen.

@ www.fachanwalt-gralle.de

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BILD: Johannes Bichmann SOUL-PHOTO.com Henning Gralle Rechtsanwa­lt und Fachanwalt für Familienre­cht

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