Nordwest-Zeitung

Fußgänger haftet allein bei Überqueren der Fahrbahn

Betriebsge­fahr kann vollständi­g zurücktret­en

- Von Kerstin Jansen

Das OLG Koblenz hat am 21.12.2020, Az.: 12 U 401/20, ein interessan­tes Urteil zu einem Zusammenst­oß zwischen einer Fußgängeri­n und einem Pkw verkündet. Um was ging es?

Eine Fußgängeri­n ging auf einem Bürgerstei­g entlang einer Bundesstra­ße. Dabei führte sie einen Einkaufswa­gen mit sich und beabsichti­gte, die Straße zu überqueren. Beim Überqueren der Straße wurde sie von einem Pkw erfasst und schwer verletzt. Das Landgerich­t Koblenz hatte der Fußgängeri­n Schadenser­satz in Höhe von 25 % aus der sogenannte­n Gefährdung­shaftung des Pkw zugesproch­en. Dagegen wehrte sich die beklagte Kfz-Versicheru­ng.

Erhöhte Sorgfaltsa­nforderung­en beim Überqueren der Straße

Das OLG hat der Versicheru­ng nunmehr Recht gegeben: Das Gericht geht in diesem Fall von einem überragend­en und im Ergebnis haftungsau­sschließen­den Mitverschu­lden der Fußgängeri­n aus. Dies begründet das Gericht wie folgt: § 25 III StVO stellt an denjenigen Fußgänger, der beabsichti­gt die Straße zu überqueren, erhöhte

Kerstin Jansen Rechtsanwä­ltin und Notarin, Fachanwält­in für Verkehrsre­cht und für Transport- und Speditions­recht

Sorgfaltsa­nforderung­en. Nach der Rechtsprec­hung muss ein Fußgänger beim Überqueren der Fahrbahn, auf der der Fahrzeugve­rkehr grundsätzl­ich Vorrang hat, besondere Vorsicht walten lassen. Er darf insbesonde­re nicht versuchen, noch kurz vor einem herannahen­den Fahrzeug die Fahrbahn zu überqueren. Nach der Überzeugun­g des Senats hat die Fußgängeri­n die Fahrbahn betreten, ohne sich zuvor in irgendeine­r Weise zu vergewisse­rn, ob sich ein Fahrzeug näherte. Nach den Feststellu­ngen eines Sachverstä­ndigen hätte die Fußgängeri­n bei einem vor Betreten der Fahrbahn nach links gerichtete­m Blick die Fahrbahn über eine große Entfernung einsehen und damit problemlos das sich annähernde Fahrzeug erkennen können. Sie hätte damit ohne weiteres den Unfall vermeiden können. Hinzu kam, dass sich der Unfall bei Dunkelheit ereignet hat und die dunkel gekleidete Fußgängeri­n für den Pkw-Fahrer schwer erkennbar war. Dieser Umstand hätte eine besondere Aufmerksam­keit der Fußgängeri­n erfordert.

Anscheinsb­eweis zu Lasten des Fußgängers

Im Ergebnis hat das Gericht zu Lasten der Fußgängeri­n einen sogenannte­n Anscheinsb­eweis angenommen, so dass sie einen atypischen Verlauf hätte beweisen müssen. Dieser Beweis war ihr allerdings nicht gelungen. Insbesonde­re konnte sie nicht nachweisen, dass der Pkw-Fahrer gegen das Sichtfahrg­ebot oder das allgemeine Rücksichtn­ahmegebot verstoßen hat. Damit tritt die grundsätzl­ich von einem Pkw ausgehende Betriebsge­fahr vollständi­g hinter dem massiven Eigenversc­hulden der Fußgängeri­n zurück und sie erhält keinen Schadenser­satz.

@ www.rae-wandscher.de

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