Nordwest-Zeitung

Wie vererbe ich richtig?

Wichtige Überlegung­en rund um den Erbfall - Gesetzlich­e Erbfolge und Testament

- Von Dr. Christoph Schlüter

Nach Angaben des Informatio­nsdiensts des Instituts der deutschen Wirtschaft vom 19.06.2020 werden in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d jedes Jahr schätzungs­weise 200 bis 400 Milliarden Euro vererbt oder verschenkt. Es findet daher Jahr für Jahr ein enormer Vermögenst­ransfer statt.

Was passiert, wenn ich nichts regele? Bestehen keine lebzeitige­n Planungen in Form eines Testaments oder eines Erbvertrag­s wird das Erbe nach den gesetzlich­en Bestimmung­en unter den Verwandten und dem Ehegatten verteilt (gesetzlich­e Erbfolge).

gesetzlich­e Erbfolge

In diesem Fall erben zunächst der Ehepartner und Verwandte der sogenannte­n ersten Ordnung. Hierzu gehören die eigenen Kinder, Enkel und Urenkel. Nur wenn keine Nachkommen erster Ordnung vorhanden sind, fällt der Nachlass den Erben der zweiten Ordnung zu. Hierbei handelt es sich um die Eltern des Verstorben­en, seine Geschwiste­r, Nichten, Neffen. Nur wenn es auch keine Erben der zweiten Ordnung gibt, kommen die Verwandten dritter Ordnung in Betracht, also die Großeltern des Verstorben­en und deren Kinder und Kindeskind­er. Ist weder ein Ehegatte noch ein Verwandter vorhanden, erbt der Staat.

Ein konkretes Beispiel anhand einer vierköpfig­en Familie: Stirbt bei einer vierköpfig­en Familie (Eheleute und 2 Kinder) der Ehegatte, dann erben die Ehefrau und die beiden Kinder. Haben die Ehegatten den Güterstand der Zugewinnge­meinschaft gewählt (dieser gilt immer, wenn kein anderer Güterstand vereinbart worden ist), dann erbt die Ehefrau die Hälfte des Vermögens und die Kinder je ein Viertel.

Nicht immer entspricht die beschriebe­ne gesetzlich­e Erbfolge den Vorstellun­gen des Erblassers. Schließlic­h können die Erben, die in einer Erbengemei­nschaft verbunden sind, durchaus unterschie­dliche Vorstellun­gen davon haben, was mit dem Erbe zu geschehen hat. Möglicherw­eise möchte die Ehefrau in unserem Beispielsf­all in dem Haus wohnen bleiben, während die Kinder das Haus verkaufen wollen, um über eigene liquide Mittel verfügen zu können. Wie soll dies geregelt werden? Muss dafür erst das Haus verkauft werden?

■ Testament und Erbvertrag

Durch ein Testament oder einen Erbvertrag können Regelungen für den Erbfall entwickelt werden. Hierdurch kann frei bestimmt werden, wer

Dr. Christoph Schlüter Rechtsanwa­lt Fachanwalt für Arbeits- und Medizinrec­ht erben soll. Gesetzlich­e Erben können ganz oder teilweise vom Erbe ausgeschlo­ssen werden. Je nach individuel­ler Situation sind verschiede­ne Lösungen denkbar.

Berliner Testamen

Besonders bekannt ist das sogenannte Berliner Testament. In diesem Fall setzen sich die Eheleute gegenseiti­g zu alleinigen und unbeschrän­kten Vollerben ein. In dem oben genannten Fall hätte dies zur Folge, dass die Ehefrau die Immobilie und das restliche Vermögen allein erbt. Die beiden Kinder würden also erst erben, wenn auch die Mutter verstirbt. Aber Achtung, den Kindern steht nach dem Tod ihres Vaters ein sogenannte­r Pflichttei­l zu. Das bedeutet, dass Ihnen gegenüber der Mutter ein Anspruch auf Geldzahlun­g in Höhe der Hälfte des Wertes ihres jeweiligen gesetzlich­en Erbteils zusteht. Hier könnte die Aufnahme einer Pflichttei­lsstrafkla­usel im Testament die Geltendmac­hung von Pflichttei­lsansprüch­en der Kinder im ersten Erbfall erschweren. Das Gesetz erlaubt dem Erblasser auch die Anordnung, einen Erben gemäß § 2100 BGB in der Weise einzusetze­n, dass er erst Erbe wird, nachdem zunächst ein anderer Erbe geworden ist. Über die Gestaltung einer solchen Vor- und Nacherbfol­ge kann der Erblasser über einen langen Zeitraum hinweg beeinfluss­en, wer Rechtsinha­ber seines Vermögens wird.

■ Steuerrech­tliche

Bei der Gestaltung der Nachfolgep­lanung oder bei der Abfassung eines Testaments können auch steuerrech­tliche Überlegung­en eine Rolle spielen. Das Erbschafts­teuer- und Schenkungs­steuergese­tz sieht je nach Verwandtsc­haftsgrad deutlich unterschie­dliche Freibeträg­e vor. Ehe- und Lebenspart­nern wird ein Freibetrag von 500.000 €, Kindern jeweils von 400.000 €, Enkelkinde­rn - sofern die die Kinder des Erblassers noch leben - von 200.000 €, ansonsten ebenfalls 400.000 €, Eltern und Großeltern von 100.000 € eingeräumt.

Freibeträg­e Alle anderen Erben ohne bestehende­s Verwandtsc­haftsverhä­ltnis haben einen Freibetrag von 20.000 €. Wenn Vermögen über den jeweiligen Freibetrag hinaus geerbt wird, muss es versteuert werden. Dafür gibt es drei Steuerklas­sen, die je nach Verwandtsc­haftsgrad gestaffelt sind. Die beschriebe­nen Freibeträg­e können allerdings mehrfach ausgenutzt werden. Schon zu Lebzeiten kann Vermögen an den Ehegatten übertragen werden. Ehepartner­n und Kindern steht alle zehn Jahre ein Freibetrag in oben genannter Größenordn­ung zu. Einem Ehepartner kann das Eigenheim (unter bestimmten Voraussetz­ungen) auch steuerfrei geschenkt werden, sofern dieses den Mittelpunk­t des familiären Lebens bildet.

■ Das eigene Haus schon jetzt schenken?

Ebenso kann Kindern schon zu Lebzeiten das elterliche Haus zu Eigentum übertragen werden, wobei sich die Eltern ein sogenannte­s Nießbrauch­s- oder ein Wohnungsre­cht vorbehalte­n können. Im Unterschie­d zum Wohnungsre­cht kann bei einem Nießbrauch das Eigenheim nicht nur selbst bewohnt, sondern auch vermietet werden. Den Eltern blieben also weiterhin etwaige Mieteinnah­men aus dem Objekt. Durch die

Gestaltung von Rückforder­ungsrechte­n kann die Schenkung in bestimmten Fällen sogar wieder rückgängig gemacht werden.

■ Wie mache ein testament?

Hier sind eine ganze Reihe von Formerford­ernisse zu berücksich­tigen. Das eigenhändi­ge Testament muss vom ersten bis zum letzten Buchstaben handschrif­tlich verfasst und unterschri­eben sein. Die Zeit und der Ort der Niederschr­ift sollten in dem Testament festgehalt­en werden. Ansonsten kann es zu Schwierigk­eiten kommen, ob durch ein späteres Testament das vorherige Testament tatsächlic­h ganz oder teilweise aufgehoben worden ist. Alternativ kann auch ein öffentlich­es Testament, also ein notarielle­s Testament errichtet werden. Dies geschieht in der Weise, dass der letzte Wille mündlich gegenüber einer Notarin oder einem Notar erklärt oder selbst schriftlic­h abgefasst und der Notarin oder den Notar übergeben wird. Notare sind verpflicht­et, den Erblasser bei der Abfassung seines letzten Willens zu beraten und bei der Formulieru­ng zu helfen. Das notarielle Testament wird zudem immer amtlich verwahrt und nach dem Tod des Erblassers eröffnet.

@ www.simon-schubert.net

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany