Bundestag „zieht“die Notbremse
Knappe Entscheidung für Änderung des Infektionsschutzgesetzes im Bundestag
Die Corona-Notbremse ist beschlossen. Im Bundestag votierten 342 Abgeordnete für das Gesetz (Bild: Angela Merkel). Es gab 250 Nein-Stimmen und 64 Enthaltungen. In Kreisen und Städten mit einer Inzidenzzahl über 100 an drei Tagen hintereinander dürfen die Menschen infolge des Gesetzes ab 22 Uhr die eigene Wohnung oder das eigene Grundstück in der Regel nicht mehr verlassen. Spaziergänge und Joggen alleine bleiben bis Mitternacht erlaubt.
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Berlin – Für eines hat die Bundes-Notbremse schon mal in der Hauptstadt Berlin gesorgt: für ein Riesen-Verkehrschaos. Rund um das Regierungsviertel, in dem der Bundestag am Mittwochnachmittag abschließend über die höchst umstrittene Änderung des Infektionsschutzgesetzes des Bundes beriet, war alles dicht, abgesperrt von der Polizei. Rund 8000 Kritiker der deutschen Corona-Politik waren unweit des Brandenburger Tores zusammengekommen, viele ohne Mund-NasenSchutz, um lautstark ihre Ablehnung und ihren Widerstand zu bekunden.
Heftiger Schlagabtausch
Im Bundestag versuchte wiederum die AfD zu Beginn der Parlamentsdebatte, die Gesetzespläne mithilfe eines Geschäftsordnungsantrags von der Tagesordnung zu nehmen. Damit traf sie aber in einem heftigen verbalen Schlagabtausch auf den Widerstand aller anderen Fraktionen – auch derer, die die Pläne zur Bundes-Notbremse eigentlich inhaltlich ablehnen.
Und noch etwas garnierte die Schlussabstimmung im Bundestag: die Ankündigung von Verfassungsbeschwerden gegen das Vorhaben. Eine solche will Hubert Aiwanger, nicht nur Bayerns Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident, sondern auch Bundesvorsitzender der Freien Wähler, an diesem Donnerstag vorstellen. Auch die FDP drohte erneut den Gang nach Karlsruhe an. Die Ausgangssperre ist für sie keine „geeignete Maßnahme“.
Am Ende stimmte das Parlament trotz alledem mit den Stimmen der Koalitionsparteien der Gesetzesänderung zu. Dabei fiel die Mehrheit aber mit 342 Ja- bei 250 Nein-Stimmen und 64 Enthaltungen – hauptsächlich von der Grünen-Fraktion – relativ knapp aus.
Kurzfristige Änderungen
Dabei hatten die Koalitionsfraktionen von Union und SPD im Vorfeld der Gesetzesentscheidung einige besonders strittige Punkte im Entwurf nachgebessert. Mit dem Vorhaben nimmt der Bund den Ländern bis Ende Juni die Entscheidungsgewalt für Beschränkungen ab einer Sieben-Tage-Inzidenzgrenze von 100 aus der Hand. Die Ausgangssperre etwa wurde leicht entschärft und soll nun erst ab 22 Uhr abends bis 5 Uhr morgens gelten. Zudem soll eine einzelne Person bis Mitternacht allein spazieren gehen und joggen können.
Bis zu einem Inzidenzwert von 150 bleiben Einkäufe in Geschäften mit Produkten außerhalb des täglichen Bedarfs bei Terminvereinbarung (Click & Meet) möglich. Und Schulen schließen nicht erst nach einem Inzidenzwert von 200 automatisch, wie zunächst geplant, sondern bereits bei 165. Die HomeofficePflicht ist nunmehr im Infektionsschutzgesetz verankert.
Rasche Umsetzung
Das Infektionsschutzgesetz könnte, sofern es den Bundesrat an diesem Donnerstag passiert und danach von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rasch unterzeichnet wird, schon ab dem kommenden Wochenende gelten.