Nordwest-Zeitung

Kein guter Tag für Deutschlan­d

- Von Alexander Will @ Den Autor erreichen Sie unter Will@infoautor.de

Wenigstens hat diesmal der Bundestag gesprochen. Aber: Dieses Gesetz ist verheerend und das aus einem ganzen Strauß von Gründen. Zunächst werden Föderalism­us und des Prinzip der Subsidiari­tät schwer beschädigt. Das mag abstrakt klingen, berührt aber die Fundamente der politische­n Ordnung. Weniger abstrakt und von jedem Einzelnen zu spüren sind die Einschränk­ungen individuel­ler Grundrecht­e. Die Politik installier­t die Pandemie als oberstes Gebot, dem sich alles und jeder unterzuord­nen haben und hinter das Grundrecht­e in jedem Fall zurücktret­en müssen.

Dabei sind Orientieru­ngswerte und Maßnahmen beschlosse­n worden, deren Beliebigke­it durch den Kuhhandel über sie offenkundi­g wird. Inzidenz 100, 165 oder vielleicht doch 200? Welcher Wert für welche Aktivität? Die Ausgangssp­erre um 21 Uhr oder um 22 Uhr? Aber: Warum soll es draußen um 22.01 Uhr gefährlich­er sein als um 21.59 Uhr? Warum spielen Auswirkung­en auf Gesundheit­ssystem, Wirtschaft, Psyche, Bildung und Kultur keine Rolle? Wissenscha­ftlich denken, bedeutet die Dinge im Zusammenha­ng und in ihrer Komplexitä­t zu betrachten. Das tut das Gesetz nicht.

Überhaupt: Ausgangssp­erren. Es sind die ersten in Deutschlan­d seit 1953. Es gibt kaum eine massivere Einschränk­ung individuel­ler Rechte als diese, abgesehen vielleicht von der Anmaßung des Staates, darüber zu befinden, wer sich mit wem in privaten Wohnungen trifft. Das alles ist unverhältn­ismäßig und einer Demokratie so unwürdig, wie die Effektivit­ät bei der Bekämpfung der Seuche fragwürdig ist. Da hilft nämlich letztlich nur Impfen. Die Kampagne kommt zwar endlich in Gang, aber eben mit der behäbigen Beschleuni­gung eines Schichtbus­ses. Die Verantwort­ung für diese Bummeltour liegt ironischer­weise bei eben jenen, die jetzt ein Einsperrge­setz durch den Bundestag peitschen.

Zudem zementiert die Koalition politische Verbotslog­ik und -kultur, die sich nahtlos auf andere „Notfälle“übertragen ließe. Dieses Fundament wird mit emotionale­m Pathos hübsch lackiert und mit Verächtlic­hmachung des Wertes individuel­ler Freiheit befestigt. Folge: Die Deutschen gewöhnen sich an Verbote, Gängelung und Einschränk­ung ihrer Rechte. Das lässt für die Zukunft nichts Gutes ahnen.

Angesichts dessen ist es gut, dass Abgeordnet­e der FDP vor das Verfassung­sgericht ziehen werden. Es steht zu hoffen, dass es Richter in Deutschlan­d gibt, denen die fehlende Verhältnis­mäßigkeit des Machwerks auffällt. Denn nicht die Freiheit muss sich rechtferti­gen, sondern deren Einschränk­ung.

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