Nordwest-Zeitung

Wie sinnvoll sind nächtliche Ausgangssp­erren?

Faktenchec­k zu einem der umstritten­sten Punkte im neuen Infektions­schutzgese­tz

- Von Sebastian Fischer

Berlin – Sie gehören zu den umstritten­sten Punkten im neuen Infektions­schutzgese­tz des Bundes: nächtliche Ausgangsbe­schränkung­en. In Regionen mit besonders vielen Corona-Neuinfekti­onen sollen zwischen 22 Uhr abends und 5 Uhr morgens die Menschen weitestgeh­end in ihren Wohnungen bleiben. Jogging-Runden allein im Park oder im Wald sollen ab Mitternach­t untersagt sein. In Niedersach­sen sind ähnliche Regeln bereits umgesetzt. Vielen geht das zu weit. Zu Recht? tionen. Alles gut also? Nein. Denn es ist bisher nicht geklärt, wie viel Anteil daran diese eine Maßnahme hatte. In der Regel wurde sie von weiteren Vorgaben wie strengeren Kontaktbes­chränkunge­n und gegebenenf­alls Schulschli­eßungen flankiert. Zudem gab es mitunter auch tagsüber Ausgangssp­erren.

Forscher der Uni Oxford nahmen jüngst den Einfluss einzelner Maßnahmen auf das Infektions­geschehen genauer unter die Lupe. Ihre Studie ergab: Nächtliche Ausgangsbe­schränkung­en können die Verbreitun­g des Covid-19-Erregers um rund 13 Prozent reduzieren. Einschränk­end schreiben sie aber, dass die Maßnahme nicht leicht vom Effekt paralleler Regelungen zu unterschei­den sei. Begutachte­t wurde die Studie bislang nicht.

Die Ausgangsbe­schränkung­en sollen vor allem Treffen in geschlosse­nen Räumen mit erhöhtem Ansteckung­srisiko unterbinde­n. Das sagt auch der Mobilitäts­forscher Kai Nagel von der Technische­n Universitä­t Berlin: „Nächtliche Ausgangsbe­schränkung­en zielen auf die privaten Besuche.“Es solle nicht der Eindruck entstehen, die Leute sollten von draußen nach drinnen, das sei „wirklich die falsche Richtung“, erklärte er in einer Bundestags­anhörung. Es sei „nicht wissenscha­ftlich (zu) verteidige­n“, wenn etwa Gruppen im Park mit ausreichen­d Abstand säßen und dann heimgehen müssten. Zudem wird befürchtet, dass sich Treffen und Besuche einfach zeitlich verschiebe­n könnten.

Manch einem dürfte es auch sauer aufstoßen, dass die Maßnahme erneut auf die Freizeit zielt. Auf den Arbeitsweg in überfüllte Betriebe darf man sich weiterhin machen – und das rund um die Uhr.

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