Hier hat die Sprache mit Heimat zu tun
Bekannter Autor Erhard Brüchert präsentiert sein neues Buch – Viele Facetten
Oldenburg – Knapp 200 Kilometer mit Schlittschuhen übers Eis, an einem Tag, Start und Ziel Leeuwarden, niederländische Provinz Friesland, von dort entgegen dem Uhrzeigersinn über Kanäle, Seen und Entwässerungsgräben in die Runde. Die Strecke führt vorbei an elf Städten – daher der Name „De Friesche Elf Steden“oder „Elfstedentocht“. Am 4. Januar 1997 hat Erhard Brüchert an dem Rennen gemeinsam mit einem Freund teilgenommen, die Strecke „abgeritten“, wie die Niederländer sagen – es war eine Tortur.
Kein Extremsportler
Doch Brüchert ist kein Extremsportler. 80 Jahre alt ist er vor ein paar Tagen geworden, man sieht und merkt es ihm nicht an. Bekannt ist er vielmehr als Autor hoch- und niederdeutscher Theaterstücke, Hör- und Dokumentarspiele, hochdeutscher historischer Romane und Novellen. In unserer Zeitung schreibt er seit vielen Jahren für die plattdeutsche Seite „Snacken un Verstahn“. Bis 2004 war er Oberstudienrat für Deutsch und Geschichte am Gymnasium Eversten. Nun hat er ein neues Buch geschrieben, das im Isensee-Verlag erschienen ist. „Ort – Sprache – Heimat“ist das Produkt seiner jahrzehntelangen publizistischen Aktivitäten, eine Art Bilanz und Vermächtnis, eine in ein Buch gegossene Hinterlassenschaft – Essays zur Geschichte und Sprache, größtenteils auf Hochdeutsch verfasst.
In seinem Wohnzimmer: Autor Erhard Brüchert (80) mit seinem neuen Buch „Ort – Sprache – Heimat“
Der Leser lernt viel über geschichtliche Zusammenhänge, die Friesen, den Begriff Heimat, die Sprache, aber auch über die Hanse, in der weit vor der Europäischen Union über Grenzen hinweg Handel betrieben wurde. Man erfährt etwas über die historisch gewachsenen Animositäten zwischen Oldenburgern und Ostfriesen, aber auch Verbindendes, die gemeinsame Ablehnung der von aufständischen Matrosen am 11. November 1918 ausgerufenen Räterepublik Oldenburg-Ostfriesland. Oder über Klaus Störtebeker – war der vom Oldenburger Grafen geduldet oder gar unterstützt worden?
Geboren wurde Brüchert am 25. März 1941 in Schlönwitz, Pommern, die Familie flüchtete nach Norden, Ostfriesland,
Geschafft: Erhard Brüchert (rechts) und sein Freund Helmut Kroon haben nach 200 Kilometern auf dem Eis das Ziel in Leeuwarden erreicht.
wo er aufwuchs. Dann studierte er von 1962 bis 1968, wurde Lehrer, lebte mit seiner Familie in Wildenloh, heute wohnt er in Bürgerfelde. Seine Frau starb vor 23 Jahren, die beiden Kinder und drei Enkelkinder leben heute in Berlin. Brüchert ist ein Familienmensch, das Leben hat ihm
das mit dem Tod seiner Frau nicht leicht gemacht.
Eine Parabel
Das Kapitel von der „Elfstedentocht“kann man als Parabel verstehen, Vergleiche mit seinem Leben ziehen. Eiskalt war es damals im Januar 1997,
Die Strecke der „Friesche Elf Steden“.
ein kräftiger Wind wehte aus Nordost, der die Läufer auf dem Hinweg über das Eis Richtung Westen gleiten und scheinbar schweben ließ. Zurück blies ihnen der Sturm ins Gesicht, trieb die Wärme aus dem Körper, verlangte den Schlittschuhläufern alles ab – körperlich und mental.
Kurz vor dem Ziel stürzte Brüchert schwer, rappelte sich auf und lief gegen 22.30 Uhr Hand in Hand mit seinem Freund durchs Ziel. 16 Stunden und 15 Minuten hatten sie gebraucht. Der schnellste Läufer benötigte 6 Stunden und 49 Minuten. Doch darum ging es den beiden nicht – sie hatten an der größten friesischen Volkssportveranstaltung teilgenommen, einer von 15, die seit 1909 stattfinden konnten. Von 16 500 Startern kamen angefeuert von 1,5 Millionen Zuschauern nur rund 9700 ins Ziel. An diesem Tag haben sie über alle Grenzen hinweg ein Stück friesische Heimat gelebt.
Ort – Sprache – Heimat: Isenseeverlag, 190 Seiten, 18 Euro.