USA wieder in der Führungsrolle
Die Nato hat keine Feinde. Diese Sprachregelung ist so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz in der Brüsseler Zentrale der Allianz. Man pflegt diplomatischer miteinander umzugehen und spricht deshalb lieber von „Herausforderungen“, in ernsteren Fällen von einer „Bedrohung“.
China wurde bei diesem Gipfeltreffen der 30 Staats- und Regierungschefs als „Herausforderung“benannt. Es soll ein Warnschuss sein. Dabei spielt Pekings Verteidigungshaushalt, der zweitgrößte der Welt, ebenso eine Rolle wie Chinas Marine, die größte auf diesem Globus – und natürlich die wachsenden Fähigkeiten in vielen anderen militärischen Bereichen. Aber das, was die Nato wirklich beunruhigt, ist die zunehmende Abhängigkeit, die Peking vor allem zu jenen schafft, die sich fernöstlicher Technologie oder sogenannten Partnerschaftsprogrammen wie der Seidenstraße anschließen. Wobei der Begriff „Partnerschaft“ein Etikettenschwindel ist. Denn von den Infrastrukturprojekten entlang der Seidenstraße profitieren vor allem chinesische Unternehmen.
Das Bündnis ist beunruhigt, weil China sich zur Großmacht entwickelt hat, sich aber – siehe Menschenrechte – nicht dieser Rolle entsprechend verhält. Und so hat die Nato Peking ins Visier genommen, um gleichzeitig abzuschwächen, dass niemand einen Kalten Krieg mit China wolle.
Diese Ausrichtung nach Fernost ist das Werk des neuen US-Präsidenten Joe Biden. Abseits der Freundlichkeiten, die eine von Bidens Amtsvorgänger Donald Trump verunsicherte und beschädigte Allianz in einen regelrechten HarmonieRausch versetzte, steht die (erhoffte) Einigkeit gegen China für die Renaissance der weltweiten Führungsrolle, die der jetzige US-Präsident einnehmen will – und verspricht.