Linke kämpft um Themenhoheit
Warum die Partei in Niedersachsen gebannt auf Wahlen im Herbst blickt
Ein Schattendasein in der niedersächsischen Landespolitik führt derzeit die Partei „Die Linke“. 2008 war sie noch mit elf Abgeordneten, darunter die damalige Landesund Fraktionsvorsitzende Kreszentia Flauger aus Wildeshausen, im Landtag vertreten. Neun Jahre später scheiterte die Linke mit 4,6 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar sehen aktuelle Umfragen die Partei mit fünf Prozent (und sieben Abgeordneten) wieder im Landtag. Doch mit welchem Personaltableau 2022 die Rückkehr gelingen könnte, ist noch nicht absehbar.
Vorsitzende nach Berlin?
Niedersachsens ambitionierte Linken-Landesvorsitzende Heidi Reichinnek (33) aus Osnabrück zieht es in den Bundestag. Ob ihr Co-Vorsitzender Lars Leipold (43) aus Hildesheim, wie Reichinnek beim Landesparteitag im März in Hannover für weitere zwei Jahre im Amt bestätigt, erneut zur Landtagswahl antritt, gilt als offen. Das große Thema der Linken gilt aber weiterhin als gesetzt: Umverteilung.
In der Corona-Pandemie sei die große Gerechtigkeitslücke deutlich geworden, sagt Landeschefin Reichinnek. Daher müsse die Vermögenssteuer wieder eingeführt werden. Das Gesundheitssystem gehöre allein in öffentliche Hand. Auch ein Mietendeckel auf Bundesebene sowie der sozial-ökologische Wandel gehören zu den (vorhersehbaren) Top-Themen des Bundestags-Wahlkampfs.
Reichinnek, die in der Kinderund Jugendhilfe tätig ist, steht auf Platz 3 der niedersächsischen Landesliste für die Bundestagswahl. Spitzenkandidatin ist Amira Mohammed Ali (41) aus Oldenburg, die Linken-Fraktionsvorsitzende im Bundestag. Gefolgt vom umtriebigen Abgeordneten Victor Perli (38) aus Wolfenbüttel auf Platz 2. Interesse an diesem Platz hatte auch der wohl bekannteste niedersächsische Linken-Politiker: der Musikmanager und langjährige Abgeordnete Diether Dehm. Der 70-Jährige zählt zu den erfahrensten Politikern der Linkspartei; er gilt als hervorragend vernetzt und einflussreich. Seit 16 Jahren sitzt Dehm im Bundestag und genießt starke Rückendeckung in seinem Kreisverband Hannover. Als erfolgreicher Unternehmer und früherer StasiSpitzel wird er aber von Teilen seiner Partei schräg angesehen. Vielleicht sind das Gründe, warum Dehm nur auf Listenplatz 6 landete. Bei der Bundestagswahl 2017 zogen die ersten fünf Plätze der Liste.
Nervosität wächst
Nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, wo die Linke um 5,3 Punkte auf 11,0 Prozent abstürzte, ist die Partei auch in Niedersachsen nervös geworden. Der Verlust sei „ein Schlag ins Gesicht“, will Reichinnek das Ergebnis gar nicht erst schönreden. Sie ruft ihre Partei zu größeren Anstrengungen auf. Vor allem die Kompetenz bei sozialen Fragen dürfe sich die Linke nicht nehmen lassen. „SPD und Grüne blinken oft links, agieren aber tatsächlich anders“, trommelt die Osnabrückerin. Ein wichtiges Thema sei zudem die Kinderarmut in Deutschland. In der Pandemie habe der Druck auf sozial schwache Familien mit Kindern noch einmal zugenommen.
Da am 12. September, zwei Wochen vor der Bundestagswahl, die niedersächsische Kommunalwahl ansteht, sieht sich die Linkspartei vor eine besondere Herausforderung gestellt. Der Landesverband mit gut 3200 Mitgliedern ist fieberhaft auf Kandidatensuche, sagt Landesgeschäftsführer Christoph Podstawa (Lüneburg). Derzeit habe die Linke 270 Mandatsträger in den Städte- und Gemeinderäten zwischen Ems und Elbe. 2016 waren es noch 318. Die Gefahr der Rutschbahn sei groß.
Kür der Kandidaten
Hoffnung macht Podstawa die Riege der Oberbürgermeister-Kandidaten: Jonas Christopher Höpken in Oldenburg, Manuel Paschke in Delmenhorst, Bastian Zimmermann in Wolfsburg und Anke Schneider in Braunschweig – um nur einige Namen zu nennen. In Goslar kandidiert Rüdiger Wohltmann für das Amt des Landrats. Bis Ende Juli organisiert die Linke nun landauf landab Nominierungsveranstaltungen. Spätestens am 26. Juli müssen die Unterlagen bei den örtlichen Wahlleitern vorliegen. Die Hoffnung ist, dass sich unter den Mandatsträgern auch potenzielle Landtagskandidaten finden lassen.