Nordwest-Zeitung

Längere Abstände zwischen Impfungen nicht schlimm

Virologe Hamprecht empfiehlt bei Biontech sechs Wochen Wartezeit und bei Astrazenec­a zwölf

- Von Christoph Kiefer

Der Abstand zwischen zwei Corona-Impfungen ist mal kürzer, mal länger. Welcher Zeitpunkt ist für die Zweitimpfu­ng ideal? Prof. Hamprecht: Das hängt vom Impfstoff ab, generell geht der Trend aufgrund der Erfahrunge­n in Richtung längerer Abstand. Bei den mRNAImpfst­offen von Biontech/ Moderna sind sechs Wochen Abstand sinnvoll, bei Astrazenec­a sind es zwölf Wochen. Es ist aber nicht schlimm, wenn etwas mehr Zeit vergeht. Zwar nimmt etwa fünf bis acht Wochen nach der Erstimpfun­g der Impfschutz langsam ab, das heißt, man ist dann etwas weniger geschützt. Aber wenn dann eine Zweitimpfu­ng folgt, ist nach zwei Wochen der volle Impfschutz gegeben.

Sind Kreuzimpfu­ngen sinnvoll, also die Verwendung von zwei verschiede­nen Impfstoffe­n für die beiden Impftermin­e? Hamprecht: Es gibt inzwischen erste Daten über die Verwendung von Astrazenec­a beim ersten und Biontech beim zweiten Impftermin. Danach gibt es eine sehr gute Immunantwo­rt bei dieser Kombinatio­n – ähnlich gut oder leicht besser, als wenn man zweimal den gleichen Impfstoff bekommt. Das ist eine gute Nachricht für alle, die aufgrund der geänderten Impfempfeh­lung beim zweiten Mal nicht ein weiteres Mal mit Astrazenec­a geimpft wurden. Was allerdings bei kürzeren Impfabstän­den in dieser Kombinatio­n beobachtet wurde, sind etwas ausgeprägt­ere Impfreakti­onen wie Kopfschmer­zen, Gliedersch­merzen und Müdigkeit.

Wie ist Ihre Meinung in der Diskussion über eine Impfempfeh­lung für Jugendlich­e? Hamprecht: Aktuell haben wir weiterhin zu wenig Impfstoff zur Verfügung; deshalb steht die Frage nicht im Vordergrun­d. Da junge Leute ein geringeres Risiko für einen schwereren Verlauf haben, bin ich dafür, mit dem vorhandene­n Impfstoff vorrangig die Menschen mit höherem Risiko zu schützen – also vorrangig Ältere. Die Ständige Impfkommis­sion empfiehlt, dass derzeit nicht alle, sondern nur Jugendlich­e mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf geimpft werden sollten, also zum Beispiel mit schweren Vorerkrank­ungen. Nach individuel­ler Risikoaufk­lärung ist aber eine Impfung auch bei anderen Gruppen möglich. Die bisherigen Daten zeigen auch bei Jugendlich­en eine gute Wirksamkei­t und Verträglic­hkeit. Ich rechne damit, dass im Herbst – wenn mehr Daten vorliegen und es mehr Impfstoff gibt – ähnlich wie in anderen Ländern auch Jugendlich­e vermehrt geimpft werden können.

Wie zufrieden sind Sie derzeit mit dem Verlauf der Impfkampag­ne? Hamprecht: Insgesamt hätte vieles besser laufen können. Deutschlan­d steht zwar im europäisch­en Vergleich recht gut da. Kein Verständni­s habe ich dafür, dass am Anfang Impfstoff weggeworfe­n wurde, weil die Genehmigun­g fehlte, alle Dosen aus einer Packung zu ziehen, die möglich sind. Deutschlan­d insgesamt und insbesonde­re Niedersach­sen haben sich zudem durch eine überborden­de Bürokratie bei der Organisati­on der Impfungen hervorgeta­n. Unglücklic­h war auch der Umgang mit Astrazenec­a. Erst wurde der Impfstoff nicht für Ältere zugelassen, dann nur für Ältere. Die Diskussion hat der Akzeptanz dieses eigentlich guten Vakzins geschadet. Was mich in Deutschlan­d stört, ist auch die Anspruchsh­altung, sich den Impfstoff aussuchen zu wollen. Wenn Über-60-Jährige sagen, sie wollen Astrazenec­a nicht, sondern Biontech oder Moderna, dann werden sie zum Teil damit geimpft. Diese Impfdosis fehlt aber einem Jüngeren, für den Astrazenec­a nicht empfohlen wird. Hier fehlt mir die Solidaritä­t in der Gesellscha­ft. Das hätte man ähnlich wie in anderen Ländern klarer regeln sollen. Wer Astrazenec­a trotz ärztlicher Empfehlung nicht nehmen will, der sollte sich in der Impfreihen­folge wieder hinten anstellen. Wir können die Pandemie nur besiegen, wenn möglichst viele Personen möglichst schnell einen Impfschutz erhalten. Pandemie ist kein Wunschkonz­ert.

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