Farbenfrohe und tänzerische Explosion
Oldenburgisches Staatstheater präsentiert überaus unterhaltsam „Alice im Wunderland“
Oldenburg – Eine gefühlte Ewigkeit haben Antoine Jully und seine Ballett Compagnie Oldenburg darauf warten müssen, ihre neue Ballettpremiere „Alice im Wunderland“aufzuführen. Immer wieder wurde die Premiere verschoben – streamen wollte Antoine Jully nicht.
Ideenreiche Szenenfolge
Was die Zuschauer bei diesem Stück erwartet, ist eine tänzerische Explosion: eine fantasievolle, ideenreiche, witzige Szenenfolge, die 75 Minuten lang am Auge des Zuschauers vorbeiflog und mit unzähligen Ideen und einer Lust am Skurrilen, am Nonsens das Märchen von Alice mit den Mitteln des Balletts nacherzählte.
Fantasievolle Kostüme von fast comicartigem Charakter, eine Bühne, die das Wunderland mit seinen unheimlichen oder auch skurrilen Seiten farbenfroh bebildert (Bühne und Kostüme: Karin Van Hercke) und mit Videoanimationen – von Antoine Jully selbst entworfen – Suggestivwirkung entfaltet, vom Einsatz der
Bühnentechnik für Flug- oder Klettermomente der Tänzer/ Innen bis hin zur temporeichen Choreographie – es ist ein überaus unterhaltsamer Abend, den Antoine Jully mit seinem Team präsentiert.
Teele Ude beeindruckt als Alice mit ihrer Tanztechnik, ihrer Komik und tänzerischen Geschmeidigkeit, ebenso Seu Kim als virtuoses Kaninchen, das immer der Zeit hinterherrennt. Das Ensemble tanzt wie immer technisch versiert und elegant und wenn zum Beispiel bei den Waldblumen und Pilzen auch mal ein Tänzer als Blume im Tutu über die Bühne fegt – ist das alles so humorvoll und variantenreich choreographiert, dass es eine Freude ist, zuzuschauen.
Bilder etwas drastisch
Bewegungsreichtum in den verrückten Szenen, eher traditionelles Partnering bei den Duetten und schöne, fantasievolle Effekte, wenn die Augen und der Mund der Grinsekatze oder die Füße und Schnäbel der Flamingos im Neonlicht tanzen.
Am Ende werden die Bilder dann doch etwas zu drastisch, etwa wenn die Herzkönigin, getanzt von Oliver Jones, gleich selbst zum Schwert greift, da gleitet das Spiel zu sehr in Ballett-Pantomime ab.
Musikalisch sehr anspruchsvoll, choreographiert Antoine Jully zu einer MusikAuswahl von Alfred Schnittke und Philip Glass, dessen Musik „In the Upper Room“ihn zu einem beeindruckenden tänzerischen Finale im ersten Teil inspiriert.
Insgesamt hätte man sich ein wenig mehr Raum für Poesie gewünscht, wie beispielsweise am Schluss, wenn Alices Schwester – wunderschön getanzt von Keiko Oishi – sich auch in ein Wunderland hinweg träumt oder wenn die verwandelte Raupe im letzten Moment als großer Schmetterling in die Welt davon fliegt.
Denn in dem Märchen steckt auch viel Lebensweisheit, wie Alice sagt: „Jeder Tag ist ein Geschenk, jede Stunde, jede Minute, jede Sekunde.“