Nordwest-Zeitung

Hinter der heilen Fassade tobt ein innerer Kampf

Das Erste zeigt heute „Kopfplatze­n“mit Max Riemelt als Architekte­n mit pädophiler Neigung

- Von Katharina Dockhorn

Stuttgart – Der angesehene und sympathisc­he Architekt Markus (Max Riemelt) scheint einen modernen Traummann zu verkörpern. Er verfügt über ein sicheres Einkommen, ist erfolgreic­h und hat einen guten Draht zu seiner eigenen Familie. Als die alleinerzi­ehende Mutter Jessica (Isabell Gerschke) mit ihrem achtjährig­en Sohn Arthur (Oskar Netzel) in seine Nachbarwoh­nung einzieht, glaubt sie, durch die Beziehung zu ihm das große Los gezogen zu haben.

Geheimes Doppellebe­n

Doch Markus führt ein Doppellebe­n, wie der sehenswert­e Film „Kopfplatze­n“bald verrät, wenn Markus Jungs im Schwimmbad heimlich fotografie­rt. Er kämpft mit seinen pädophilen Neigungen. Dieser Konflikt steht im Zentrum des Films des Regiedebüt­anten Savas Ceviz, der in diesem Jahr die Reihe „Debüt im Ersten“abschließt. In die Kinos kam der Film durch die CoronaPand­emie nie. Das Erste strahlt „Kopfplatze­n“an diesem Dienstag, 15. Juni, um 23.05 Uhr aus.

Markus tut alles, damit sein Geheimnis nicht entdeckt wird. Trotzdem kümmert er sich um Arthur, wenn Jessica arbeitet. Den Zuschauer beschleich­en beklemmend­e Gefühle, wenn er dem Jungen ein Bad einlässt, beim Abseifen und beim Abtrocknen hilft.

Solche alltäglich­en Momente sind für den 29-jährigen eine Bewährungs­probe, wie sie sich viele nicht vorstellen können. Auch Jessica ahnt davon nichts. Sie verliebt sich in den Unbekannte­n, der ihre Gefühle zögerlich erwidert.

Hinter der heilen Fassade tobt ein innerer Kampf in Markus’ Kopf und Körper. Die Stimmen in seinem Kopf werden lauter, die ihn ermutigen, Arthur intim zu berühren. Er ahnt, dass er seinem Verlangen nicht lange widerstehe­n kann. Für diesen inneren Zwist findet der Regisseur treffende Bilder. Er lässt den Zuschauer durch Markus’ Augen blicken – und die Kamera über Kinderkörp­er in Badehose gleiten, was oft bis an die Grenze des Ertragbare­n geht.

Gesamte Gefühlspal­ette

Der zur intensiven Auseinande­rsetzung mit dem Thema einladende Film hätte einen besseren Sendeplatz verdient. Denn es geht um ein Aufregerth­ema, das zudem viele Menschen betrifft.

Das intime Drama besticht vor allem durch den grandiosen Max Riemelt, der Markus mit ungeheurer Einfühlsam­keit und Intensität spielt. Er macht die gesamte Gefühlspal­ette und Zerrissenh­eit eines Pädophilen transparen­t, der vom unbändigen Willen geprägt ist, seiner Neigung nicht zu folgen.

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BILD: SWR/kurhaus production Markus (Max Riemelt) kämpft gegen seine pädophile Neigung an und versucht Arthur (Oskar Netzel) zu erklären, warum er ihn nicht mehr sehen will.

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