Nordwest-Zeitung

Größere Gefahr von Rechten und Linken

Innenminis­ter Horst Seehofer warnt vor zugespitzt­er Extremismu­s-Sicherheit­slage

- Von Gregor Mayntz

Berlin – Mag das öffentlich­e Leben in der Pandemie im vergangene­n Jahr über viele Monate herunterge­fahren worden sein, die Zahl politisch motivierte­r Straf- und Gewalttate­n ist gestiegen. „Extremiste­n und Terroriste­n gehen nicht in den Lockdown“, stellte Verfassung­sschutzprä­sident Thomas Haldenwang bei der Vorlage des jüngsten Jahresberi­chtes vor. Viele Extremiste­n hätten ihre Tätigkeit ins Internet verlagert. „Sie sitzen sozusagen im Homeoffice“, erläuterte der Verfassung­sschützer. Innenminis­ter Horst Seehofer versuchte, aufzurütte­ln: „Wir haben einen Alarmzusta­nd“, warnte er und sprach von einer „sehr, sehr ernstzuneh­menden Bedrohungs­lage“.

■ Rechte Gewalt

Durch die Corona-Pandemie habe die rechte Szene zusätzlich­en Auftrieb bekommen. Über die Proteste gegen staatRecht­en“ liche Maßnahmen hätten Rechtsextr­emisten versucht, Anschluss an das bürgerlich­e Spektrum zu gewinnen. Auf derselben Grundlage sei auch die Reichsbürg­erszene gewachsen – von 19 000 auf 20 000 Personen. Die gewaltbere­iten Reichsbürg­er schätzt der Verfassung­sschutz auf rund 2000. Ein Hauptaugen­merk gilt dabei dem Waffenbesi­tz. Zudem widmete der Verfassung­sschutz der „Neuen erstmals ein eigenes Kapitel. Aktivisten und Publikatio­nen seien bemüht, die Grenze des Sagbaren zu verschiebe­n. Sie seien „pseudointe­llektuell“unterwegs und bereiteten den Nährboden für gewalttäti­ge Rechtsextr­emisten und Rechtsterr­oristen.

Der stetige Zulauf zum Rechtsextr­emismus ist umso bemerkensw­erter, als die typischen Anknüpfung­spunkte für den Einstieg in die Szene zu einem großen Teil ausfielen: Größere rechtsextr­emistische Musikveran­staltungen fielen aus. Die Zahl von Demonstrat­ionen, die von Rechtsextr­emisten maßgeblich beeinfluss­t wurden, stieg im Gegenzug von 186 auf 233. Zumindest diese fanden jedoch weniger Zulauf.

■ Linke Gewalt

Auf der anderen Seite drückte der Minister seine Besorgnis über die um ein Drittel gestiegene Zahl linksextre­mistischer Gewalttate­n aus. Haldenwang nannte Beispiele von Überfällen auf vermeintli­che Gegner, bei denen auch der Tod in Kauf genommen worden sei. Im Linksextre­mismus seien heimlich operierend­e Kleingrupp­en zu verzeichne­n, bei denen genau beobachtet werden müsse, ob sich daraus linksterro­ristische Strukturen entwickelt­en, berichtete Haldenwang.

■ Antisemiti­sche Taten

Um die Einstufung antisemiti­scher Straftaten werde es in der Konferenz der Innenminis­ter von Bund und Ländern in den nächsten Tagen gehen, kündigte Seehofer an. Er werde Vorschläge zur genaueren Differenzi­erung unterstütz­en, wenn diese belastbare Ergebnisse liefere. Derzeit schreiben die Statistike­n 90 Prozent der antisemiti­schen Straftaten dem Rechtsextr­emismus zu. Haldenwang bezeichnet­e Antisemiti­smus als Klammer, die zahlreiche Extremiste­n vereine.

 ?? Dpa-BILD: Willnow ?? Teilnehmer einer Demonstrat­ion der Linken versammeln sich mit Transparen­ten.
Dpa-BILD: Willnow Teilnehmer einer Demonstrat­ion der Linken versammeln sich mit Transparen­ten.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany