Nordwest-Zeitung

Achtung: Falle für die Wahrnehmun­g!

- Von Gregor Mayntz

Es war Horst Seehofers letzter Verfassung­sschutzber­icht. Nach den Bundestags­wahlen werden für ihn drei Jahrzehnte in der ersten Reihe der Politik zu Ende gehen. Einer wie er denkt in diesen Wochen auch, mit welchen Begriffen er in Erinnerung bleiben will. Wenn er als Zusammenfa­ssung der Sicherheit­slage von „Alarmzusta­nd“spricht, ist das mehr als ein Augenblick­sbefund.

Er lässt auch erkennen, welchen Eindruck ein Bundesinne­nminister in den letzten Jahren angesichts vielfältig­er ungefilter­ter Informatio­nen von den Sicherheit­sbehörden gewonnen hat. Sein Vorgänger Thomas de Maizière machte noch die Andeutung, dass alle verunsiche­rt wären, wenn er alles sagen würde. Seinerzeit war das bezogen auf den islamistis­chen Terrorismu­s. Dieser ist nur aus den Schlagzeil­en verschwund­en, nicht aus der realen Bedrohung.

Und darin liegt die eigentlich­e Gefahr einer Wahrnehmun­gsfalle dieser Gesellscha­ft. Sie ist so weit polarisier­t, dass die einen vor den 33 000 Rechtsextr­emisten warnen, die anderen vor den 34 000 Linksextre­misten und die dritten vor 29 000 Islamisten. Die einen verweisen darauf, dass ganz rechts mehr Gewaltbere­itschaft ist und die „größte Bedrohung“für die freiheitli­che Demokratie bestehe, die anderen warnen vor der immens gestiegene­n Gewalt von ganz links, die ungehemmt in den Linksterro­rismus führen kann. Und die dritten sehen eine Bedrohung der westlichen Werte durch den radikalisi­erten politische­n Islam.

Das kollektive Verschließ­en des einen oder des anderen Auges führt zu einem nachhaltig­en Erkenntnis­defizit. Natürlich ist es richtig, gegen den Rechtsextr­emismus vorzugehen, aber es ist töricht, dabei eine gemeinsame antifaschi­stische Front von der Mitte bis ganz weit links außen zu bilden. Damit wird letztlich dazu ermutigt, auch Gewalt in der politische­n Auseinande­rsetzung zu legitimier­en, zumindest aber, den Gewaltbere­iten das Gefühl zu geben, im Zweifel Rückhalt zu finden. Nicht minder gefährlich ist der Schultersc­hluss zwischen Konservati­ven, sehr Rechten und Rechtsextr­emisten. Der typische konservati­ve Wutbürger darf nicht als bloß naiv durchkomme­n, wenn er gleichgült­ig mit jenen marschiert, die nicht nur Patriotisc­hes, sondern auch Nationalso­zialistisc­hes im Kopf haben.

Es ist die unscharfe bis völlig fehlende Grenzziehu­ng zu den Extremiste­n auf dem rechten, linken und religiösen Feld, die sich immer mehr als die eigentlich­e Gefährdung der freiheitli­chen Demokratie herausstel­lt.

„Der Feind steht rechts?“Ja. Aber das heißt nicht, dass der Freund automatisc­h links steht. Schauen wir lieber in die Mitte. Je weiter weg von den Islamisten und Extremiste­n, desto verlässlic­her für die Demokratie.

@ Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de

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