Nordwest-Zeitung

Riechen mit der Nase – und den Augen

Kunsthalle Bremen öffnet zehnte Station einer Gemeinscha­ftsausstel­lung zum Thema Geruch

- Von Birgit Denizel

Bremen – Im Rahmen von „Smell it!“, einer Kooperatio­n von zehn Bremer Kunstinsti­tutionen, zeigt die Kunsthalle Bremen historisch­e Darstellun­gen von Geruch von der Renaissanc­e bis zur Gegenwart. Mit Gemälden, Grafiken, Fotografie­n und Plastiken von rund 50 Künstlern spannt die Schau einen Bogen über die kulturelle wie zwischenme­nschliche Bedeutung des Riechens, Duftens und Stinkens. „Damit zeigen wir das geschichtl­iche Fundament zu dem Thema“, so Christoph Grunenberg, Direktor der Kunsthalle.

Weihrauch als Ursprung

Das kleinste Exponat ist eine briefmarke­ngroße Radierung von Albrecht Altdorfer, die eine Weihrauchk­ugel abbildet. Im alten Ägypten galt Weihrauch als Götterschw­eiß, der auf die Erde fällt. Die kultischen Gebräuche prägten den lateinisch­en Begriff „per fumum“, „durch den Rauch“, aus dem wiederum „Parfum“abgeleitet wurde. Es diente sowohl zur Überdeckun­g unangenehm­er Körperdüft­e sowie als distinktiv­es Kommunikat­ionsmittel. Zwar ist der Geruch nicht in allen Bildern das vordergrün­dige Thema, doch sprechen die Werke den Geruchssin­n über die Augen an. „Das Thema in Form von riechbaren Materialie­n umzusetzen, beginnt erst mit der Moderne“, erklärt die Kuratorin Mara-Lisa Kinne.

Wer riecht, denkt nicht

Dass der Riechsinn von den fünf Sinnen lange Zeit als der niederste galt, haben wir Denkern der Aufklärung wie Immanuel Kant zu verdanken. Ihm zufolge kommt es dem instinktiv­en Dasein von Tieren gleich, sich die Welt zu erschnüffe­ln. Oder anders formuliert: „Der Mensch, der denkt, riecht nicht, woraus folgt, dass der Mensch, der

riecht, nicht denkt.“Die Vielzahl der Exponate stammt aus der eigenen Sammlung. „Dass wir eine so große Ausstellun­g aus unseren eigenen Beständen darstellen können, hätte ich nicht erwartet“, freut sich Christoph Grunenberg. „Darunter sind viele tolle Entdeckung­en, die wir in der ständigen Sammlung nicht zeigen.“

Werk für die Ausstellun­g

Raumgreife­nd ist die Installati­on „New Cartograph­ies of Smell Migration“von Oswaldo Maciá. Der kolumbiani­sche Geruchskün­stlers hat die Arbeit eigens für die aktuelle Ausstellun­g geschaffen. Mit monumental­en Zeichnunge­n, Tönen und Düften macht Maciá nicht nur den globalen Handel von Geruchssto­ffen erlebbar. Deutlich wird auch der Nutzen von Düften in der Natur: „no smell – no insect – no pollinatio­n – no flower – no smell“– zu deutsch „Kein Duft – kein Insekt – keine Bestäubung – keine Blume – kein Duft.“Ein Aspekt, der aktueller nicht sein kann.

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BILD: Birgit Denizel Kuratorin Mara-Lisa Kinne vor Oswaldo Maciás raumgreife­nder Installati­on „New Cartograph­ies of Smell Migration“(2021) in der Kunsthalle Bremen.
 ?? BILD: Kunsthalle ?? „L’odorat“von Honoré Daumier; Lithograph­ie (1893)
BILD: Kunsthalle „L’odorat“von Honoré Daumier; Lithograph­ie (1893)

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