Nordwest-Zeitung

Hinter den Masken kommt so manche Überraschu­ng zum Vorschein

- Von Frau Immerfrei

Seit ein paar Wochen sind die Schüler in voller Klassenstä­rke zurück in der Schule und so richtig habe ich mich noch nicht daran gewöhnt.

Manchmal frage ich mich, wie wir Lehrer diesen Lärmpegel und die Präsenz bei dreißig Kindern oder Jugendlich­en gemanagt haben.

Individuel­le Förderung, das Eingehen auf Wehwehchen oder Absprachen mit Eltern fielen mir mit halben Klassen leichter.

Anderersei­ts komme ich nicht mehr so leicht durcheinan­der, was ich mit welcher Teil-Lerngruppe besprochen bzw. thematisie­rt hatte und mit welcher nicht. Das war auch ein komplizier­tes Unterfange­n, schließlic­h kommt man nicht immer so weit, wie geplant, und muss häufig umdisponie­ren.

Kaffee im Klassenrau­m?

Den Schülern scheint es aber ähnlich zu gehen wie mir, auch sie brauchen noch Zeit für die neue, alte Routine. An den wöchentlic­hen Wechsel mit Unterricht in der einen und Ausschlafe­n in der Folgewoche gewöhnten sie sich schnell und jetzt das frühe Aufstehen an fünf Tagen hintereina­nder bekommt ihnen noch nicht. Ihre Gesichter sind teilweise so müde, dass ich überlege, eine Kaffeemasc­hine in den Klassenrau­m zu stellen und den Schülern erst einmal eine Tasse zu kredenzen.

In der ersten Stunde ist entspreche­nd wenig zu holen und es braucht besondere Mittel zur Aufmunteru­ng. Neben der Umstellung ist diese Dauermüdig­keit auch dem turbulente­n Schuljahr geschuldet, welches die Schüler mehr als gefordert hat und die Luft ist entspreche­nd raus.

Die vollen Klassen brachten auch eine weitere Veränderun­g mit sich, nämlich die Aufhebung der Maskenpfli­cht im Unterricht am Sitzplatz. Vermeintli­ch paradox, denn die Klassenstä­rke ergibt eine ziemliche körperlich­e Nähe, aber gut.

Plötzlich mit Bart

Jedenfalls sehe ich nach Monaten endlich die Gesichter meiner Schüler wieder und weiß wieder, wie sie aussahen. Aussahen, denn sie haben sich freilich verändert. Aaron trägt jetzt Bart, Damian hat ein markantes Kinn entwickelt und Kaja (alle Namen geändert) zeigt ihr Make-Up. Es hat sich also einiges bei ihnen getan.

In anderen Lerngruppe­n zeigt sich dieser Effekt umso mehr, da ich sie nur mit Masken kennengele­rnt hatte und sich darunter nun ganz andere Gesichter verbergen, als ich mir vorgestell­t habe. Das sorgt mitunter für einige Überraschu­ngen und man kann endlich hinter das Stück Stoff im Gesicht blicken und die ganze Persönlich­keit in sich aufnehmen.

Hoffen wir also auf ruhige Wochen bis zu den Sommerferi­en, um danach mit viel Motivation wieder voll durchzusta­rten.

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