An Zukunftsthemen mangelt es nicht
Dagmar Sachse seit zehn Jahren Sozialdezernentin – Schwerpunkte Armut und Wohnen
Oldenburg – Fragt man Dagmar Sachse, auf was sie in den vergangenen zehn Jahren beruflich am liebsten verzichtet hätte, sind es nicht unbedingt die beiden großen Krisen dieser Zeit. Flüchtlingsströme und Corona-Pandemie betrachtet die Oldenburger Sozialdezernentin vielmehr als „besondere Herausforderung“. Was ihr wirklich an die Nieren gegangen ist – vor allem, weil vermeidbar –, waren persönliche Beleidigungen und Angriffe.
Bei Veranstaltungen zur Unterbringung und Integration von Flüchtlingen sei das immer wieder vorgekommen. „Da ist mir schon an mancher Stelle die Luft weggeblieben.“Vor allem auch dann, wenn die Betroffenen – ob Flüchtlinge oder Suchtkranke – diskriminiert wurden. „Das widerstrebt mir. Weil mir Menschen wichtig sind, bin ich Sozialdezernentin geworden.“
„Spannende Jahre“
Zum 1. Juni 2011 hat Dagmar Sachse das Amt übernommen. Unlängst ist die 60Jährige vom Rat wiedergewählt worden – bis 2027. „Absolut spannende Jahre“seien das bisher gewesen – nicht nur wegen der beiden großen Ereignisse. Die zehn Jahre beinhalteten schließlich viel mehr: Ganztagsschulen, Inklusion, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, BildungsgeZukunft rechtigkeit. Oldenburg könne stolz sein, was alles erreicht worden sei, meint die Sozialdezernentin.
Die Bewältigung des Flüchtlingsstroms sei die emotional leichtere Krise gewesen: „Ärmel hochkrempeln, wir kriegen das hin“, sei da das Motto gewesen. In der Pandemie belasteten die Gestorbenen: „Obwohl
wir die beste Ausstattung haben, sind Menschen am Ende doch verstorben.“Zwei Dinge seien ihr dabei vor allem durch den Kopf gegangen: „Es dürfen nicht mehr werden.“Und: „Was bedeutet das für das Personal?“Den Oldenburger Weg, verstärkt auf Quarantäne zu setzen, hält sie nach wie vor für richtig.
Viele Mitstreiter
Apropos Oldenburg: Dass vieles ihrer Meinung nach gut, schnell und reibungslos funktioniert, sei nicht zuletzt der Vielzahl an Mitstreitern aus der Stadtgesellschaft zu verdanken: „Das macht Oldenburg aus.“Deshalb ist ihr auch vor den großen Themen der
nicht bange: Das sind für ihre zweite Amtszeit vor allem Armut („Viele Menschen können nicht mehr von ihrer Rente leben. Wie können die weiter teilhaben?“), Pflege und Gesundheit sowie Wohnen.
„Das Thema Wohnungslosigkeit ist längst nicht gelöst“, blickt Dagmar Sachse vor allem auf Obdachlose – und Menschen, die davon bedroht sind. „Wie gelingt es, Wohnraum für Menschen zu erhalten, wie stützt man sie? Aber auch: Wie schafft man es, Wohnungslose in Wohnraum zu bringen?“
Nachholbedarf
Dagmar Sachse sieht auch die Defizite. Etwa bei der Digitalisierung. Bund und Land seien in der Pflicht: „Die Gesetzgebung macht es uns da oftmals schwer.“Überhaupt – und das habe die Pandemie gezeigt – arbeiteten die drei Ebenen nicht optimal zusammen. „Warum sitzen die Kommunen nicht mit im Krisenstab des Landes?“Letztlich entscheide sich doch vor Ort, was umsetzbar sei und was nicht. Nachholbedarf sieht Dagmar Sachse – vor allem bedingt durch die Corona-Pandemie – auch bei der Jugend: Aufdecken und Beheben von Lerndefiziten, Knüpfen von Beziehungsaspekten, weil Kinder und Jugendliche Monate lang nicht in der Gruppe unterwegs sein konnten und – auch in dieser Altersgruppe – das Thema Armut.