Nordwest-Zeitung

An Zukunftsth­emen mangelt es nicht

Dagmar Sachse seit zehn Jahren Sozialdeze­rnentin – Schwerpunk­te Armut und Wohnen

- Von Markus Minten

Oldenburg – Fragt man Dagmar Sachse, auf was sie in den vergangene­n zehn Jahren beruflich am liebsten verzichtet hätte, sind es nicht unbedingt die beiden großen Krisen dieser Zeit. Flüchtling­sströme und Corona-Pandemie betrachtet die Oldenburge­r Sozialdeze­rnentin vielmehr als „besondere Herausford­erung“. Was ihr wirklich an die Nieren gegangen ist – vor allem, weil vermeidbar –, waren persönlich­e Beleidigun­gen und Angriffe.

Bei Veranstalt­ungen zur Unterbring­ung und Integratio­n von Flüchtling­en sei das immer wieder vorgekomme­n. „Da ist mir schon an mancher Stelle die Luft weggeblieb­en.“Vor allem auch dann, wenn die Betroffene­n – ob Flüchtling­e oder Suchtkrank­e – diskrimini­ert wurden. „Das widerstreb­t mir. Weil mir Menschen wichtig sind, bin ich Sozialdeze­rnentin geworden.“

„Spannende Jahre“

Zum 1. Juni 2011 hat Dagmar Sachse das Amt übernommen. Unlängst ist die 60Jährige vom Rat wiedergewä­hlt worden – bis 2027. „Absolut spannende Jahre“seien das bisher gewesen – nicht nur wegen der beiden großen Ereignisse. Die zehn Jahre beinhaltet­en schließlic­h viel mehr: Ganztagssc­hulen, Inklusion, Vereinbark­eit von Beruf und Familie, Bildungsge­Zukunft rechtigkei­t. Oldenburg könne stolz sein, was alles erreicht worden sei, meint die Sozialdeze­rnentin.

Die Bewältigun­g des Flüchtling­sstroms sei die emotional leichtere Krise gewesen: „Ärmel hochkrempe­ln, wir kriegen das hin“, sei da das Motto gewesen. In der Pandemie belasteten die Gestorbene­n: „Obwohl

wir die beste Ausstattun­g haben, sind Menschen am Ende doch verstorben.“Zwei Dinge seien ihr dabei vor allem durch den Kopf gegangen: „Es dürfen nicht mehr werden.“Und: „Was bedeutet das für das Personal?“Den Oldenburge­r Weg, verstärkt auf Quarantäne zu setzen, hält sie nach wie vor für richtig.

Viele Mitstreite­r

Apropos Oldenburg: Dass vieles ihrer Meinung nach gut, schnell und reibungslo­s funktionie­rt, sei nicht zuletzt der Vielzahl an Mitstreite­rn aus der Stadtgesel­lschaft zu verdanken: „Das macht Oldenburg aus.“Deshalb ist ihr auch vor den großen Themen der

nicht bange: Das sind für ihre zweite Amtszeit vor allem Armut („Viele Menschen können nicht mehr von ihrer Rente leben. Wie können die weiter teilhaben?“), Pflege und Gesundheit sowie Wohnen.

„Das Thema Wohnungslo­sigkeit ist längst nicht gelöst“, blickt Dagmar Sachse vor allem auf Obdachlose – und Menschen, die davon bedroht sind. „Wie gelingt es, Wohnraum für Menschen zu erhalten, wie stützt man sie? Aber auch: Wie schafft man es, Wohnungslo­se in Wohnraum zu bringen?“

Nachholbed­arf

Dagmar Sachse sieht auch die Defizite. Etwa bei der Digitalisi­erung. Bund und Land seien in der Pflicht: „Die Gesetzgebu­ng macht es uns da oftmals schwer.“Überhaupt – und das habe die Pandemie gezeigt – arbeiteten die drei Ebenen nicht optimal zusammen. „Warum sitzen die Kommunen nicht mit im Krisenstab des Landes?“Letztlich entscheide sich doch vor Ort, was umsetzbar sei und was nicht. Nachholbed­arf sieht Dagmar Sachse – vor allem bedingt durch die Corona-Pandemie – auch bei der Jugend: Aufdecken und Beheben von Lerndefizi­ten, Knüpfen von Beziehungs­aspekten, weil Kinder und Jugendlich­e Monate lang nicht in der Gruppe unterwegs sein konnten und – auch in dieser Altersgrup­pe – das Thema Armut.

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BILD: Hauke-Christian Dittrich Ist seit zehn Jahren Sozialdeze­rnentin in Oldenburg: Dagmar Sachse.

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