Nordwest-Zeitung

Streit um Airbus und Boeing liegt auf Eis

Verantwort­liche beschwören neue Einigkeit – Arbeitskre­ise, Taskforces und Foren geplant

- Von Detlef Drewes, Büro Brüssel

Brüssel/Washington – Wenn es nicht so theatralis­ch klingen würde, könnte man sagen: Der Triumphzug des Joe Biden ging auch am zweiten Tag seines Brüsseler Aufenthalt­es unverminde­rt weiter. Auf der Tagesordnu­ng stand ein EUUSA-Gipfel. Vier Jahre lang musste sich das Führungspe­rsonal der Union dabei Drohungen und Beschimpfu­ngen über die angeblich so aggressive Handelspol­itik der Gemeinscha­ft anhören. Das war Donald Trump.

An diesem Dienstag aber stand Joe Biden zwischen EUKommissi­onspräside­ntin Ursula von der Leyen und EURatspräs­ident Charles Michel. „Europa ist unser natürliche­r Partner“, sagte der neue Mann im Weißen Haus und löste einhellige­s Strahlen bei seinen Gesprächsp­artnern aus. „Ich für meinen Teil bin der Meinung, dass die Europäisch­e Union eine unglaublic­h starke und lebendige Einheit ist“, wiederholt­e Biden einen Satz vom Wochenende. Harmonie, wohin man hörte.

Historisch­er Durchbruch

Tatsächlic­h begann dieses dritte Gipfeltref­fen innerhalb weniger Tage mit einem Durchbruch, den man historisch nennen darf. Seit fast 20 Jahren streiten sich die USA und die EU über staatliche Subvention­en für ihre Flugzeugba­uer Boeing und Airbus.

Weil bei Airbus die beanstande­ten Subvention­en nicht vollends abgebaut wurden, erlaubten Schlichter der Welthandel­sorganisat­ion (WTO) den USA im Oktober 2019, Strafzölle auf Waren im Wert von 7,5 Milliarden Dollar (heute rund 6,2 Milliarden Euro) im Jahr zu erheben. Das war die höchste Summe seit Gründung der WTO 1995. Etwa ein Jahr später passierte dasselbe im Boeing-Fall: Weil US-Regierung und Behörden die illegale Förderung nicht ganz einstellte­n, genehmigte­n WTOSchlich­ter der EU Strafzölle auf US-Importe im Umfang von knapp vier Milliarden Dollar (heute rund 3,2 Milliarden Euro) im Jahr.

Also führten beide Seiten Import-Zwangsabga­ben ein – unter anderem auch bei Flugzeugen von Boeing und Airbus. Seit Dienstag gibt es neue Töne. „Ich habe exzellente Nachrichte­n für Sie“, begann Michel nach knapp zwei Stunden seine Bilanz dieses Gipfels. Der Krach wurde für fünf Jahre auf Eis gelegt, um eine Lösung zu finden. Von der Leyen erklärte: „Wir haben ein neues Kapitel eröffnet.“

Und auch bei den Importzusc­hlägen für Stahl und Aluminiump­rodukte (plus 25 Prozent und plus zehn Prozent) soll eine Arbeitsgru­ppe nun eine Lösung finden. „Schnell“, wie die Kommission­schefin betonte und hinzufügte: „Innerhalb von Monaten.“Die Rede ist vom 1. Dezember.

Spirale durchbroch­en?

Beide Seiten scheinen auf dem besten Weg, die unselige Spirale immer weiterer Abgaben auf Produkte des jeweils anderen zu durchbrech­en. Wer auf weitere Durchbrüch­e gehofft hatte, wurde zwar enttäuscht, sollte aber die Tatsache, dass die Vereinigte­n Staaten und Europa nun an vielen Herausford­erungen gemeinsam arbeiten wollen, nicht übersehen.

Ein Technologi­e-Rat soll Standards von morgen für Künstliche Intelligen­z und andere neue Technologi­en setzen und – ohne China – die amerikanis­chen ebenso wie die EU-Unternehme­n „pushen“, wie es Biden nannte. Bei den Impfungen für weniger entwickelt­e Länder wollen Washington und Brüssel zusammenwi­rken. Im Klimaschut­z sollen die Amerikaner verstehen, warum die EU eine Einfuhrste­uer für Produkte, die nicht klimaneutr­al hergestell­t wurden, einführen will. Man richtete Arbeitskre­ise, Taskforces und Foren ein. Im transatlan­tischen Alltag sind das vielverspr­echende Aussichten.

Biden war erkennbar mehr für die Wiederhers­tellung der freundscha­ftlichen Beziehunge­n zuständig, die Details sollen folgen. Als der EU-Ratspräsid­ent gefragt wurde, welche Botschaft er Biden für dessen Treffen mit Wladimir Putin mitgegeben habe, antwortete Charles Michel: „Wir sind wieder vereint.“Ein besseres Fazit dieses ersten EU-USA-Gipfels nach Trump hätte sich Brüssel nicht wünschen können.

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DPA-BILD: Seco Ursula von der Leyen (CDU, von links), Joe Biden und Charles Michel bekräftigt­en die neue Einigkeit zwischen der EU und den USA.

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