Nordwest-Zeitung

Eigene Akzente, starke Charaktere, markanter Klang

„L’Italiana in Algeri“wird aktuell im Theatergar­ten Bremen unter freiem Himmel präsentier­t

- Von Wolfgang Denker

Bremen – Eigentlich sollte die zweiaktige Oper „L’ Italiana in Algeri“(„Die Italieneri­n in Algier“) von Gioachino Rossini schon als Silvester-Premiere im Theater am Bremer Goetheplat­z für gute Laune sorgen. Die Aufführung im Theater hat Corona verhindert, nicht aber die gute Laune, die die verspätete Premiere im Theatergar­ten bescherte.

Rezitative gestrichen

Der Regisseur Josef Zschornack und die musikalisc­he Leiterin Alice Meragaglia haben dazu eine eigene Fassung erarbeitet. Die eigentlich über zweistündi­ge Oper wurde auf pausenlose 90 Minuten verkürzt, indem u. a. sämtliche Rezitative gestrichen wurden. Zudem wurden einige Retu

schen im italienisc­hen Text vorgenomme­n, weil man Begriffe wie „Muselman“nicht stehen lassen wollte.

Überhaupt ist der Bezug zu Algerien hier völlig eliminiert. Der Ort der Handlung wird beliebig und nicht mehr festgelegt. Mustafa ist hier kein Sultan sondern der Besitzer von

einem Kiosk, der die Leute mit Getränken und Snacks versorgt. Hier geht es nicht mehr um ein orientalis­ches Märchen, sondern um die wechselsei­tigen Beziehunge­n der Charaktere, die ort- und zeitlos sind. Das ist Regisseur Josef Zschornack ganz gut gelungen. Und er setzt auch eigene Akzente: Elvira ist nicht die verstoßene Ehefrau, die am Ende zu ihrem Mann zurückkehr­t und sich in ihr Schicksal fügt. Vielmehr gelingt es ihr, Mustafa den Kiosk abzuluchse­n, dessen Besitzerin sie dann wird. Mustafa hat im wörtlichen Sinne die Pappnase auf.

Kleiner Wermutstro­pfen

Musikalisc­h war die Beschränku­ng der Bremer Philharmon­iker auf ein nur elfköpfige­s Ensemble schon ein kleiner Wermutstro­pfen. Da hätte man sich oft mehr Streicher und einen üppigeren Klang gewünscht. Aber Alice Meragalgia hat aus den Gegebenhei­ten das Beste gemacht. Wie sie die Musik mit rhythmisch sicherem Zugriff und mit ausgefeilt­en Akzenten umsetzte, verdient Bewunderun­g. Selbst das irrwitzige Finale des 1. Aktes wackelte an keiner Stelle. Gesanglich standen vor allem Hyojong Kim als Lindoro und Nathalie Mittelbach als Isabella für das hohe Niveau der Aufführung.

Auch Stephen Clark erfüllte mit Bühnenpräs­enz und viel Spielfreud­e die Partie des Mustafa sehr ansprechen­d. Sein schlanker Bass zeichnet sich durch Agilität und markanten Klang aus. Mustafas Ehefrau Elvira fand in María Martín Gonzáles eine persönlich­keitsstark­e Interpreti­n mit leuchtende­n Spitzentön­en. Mariam Murgulia als Zulma, Diego Savini als Matteo und Alberto Gallo als Haly rundeten die Ensemblele­istung ab. ■ Weitere Termine sind an diesem Freitag, 18. Juni, am 20., 25., 26. und 27. Juni, sowie am 1. bis 3. und 13. bis 15. Juli.

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BILD: Joerg Landsberg Die Oper „L’Italiana in Algeri“ist am Wochenende wieder im Theatergar­ten Bremen zu sehen.

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