Nordwest-Zeitung

Auch ein Scheitern muss erlaubt sein

- Von Gernot Heller, Büro Berlin

Es fällt leicht, den Stab zu brechen über die, die etwas versuchen, denen das am Ende aber nicht gelungen ist. Da ist zum Beispiel der vielverspr­echende Impfstoff-Hersteller Curevac in Tübingen. Der war noch vor Kurzem, noch vor Biontech, der große deutsche Hoffnungst­räger für einen CoronaImpf­stoff und ein Objekt der Begierde für den damaligen USPräsiden­ten Donald Trump. Auch, um das „Abwandern“in die USA zu verhindern, stieg der Bund vor einem Jahr als Kapitalgeb­er und Großaktion­är ein. Gelohnt hat sich das, das muss man ehrlich eingestehe­n, bisher nicht so richtig. Der von Curevac entwickelt­e Impfstoff ist nicht so wirksam wie Konkurrenz­produkte.

Anlass zur Kritik? Nein. Vielmehr zeigt der Fall, dass die Entwicklun­g technologi­sch bahnbreche­nder neuer Produkte, zumal im Bereich der Arzneien, eine hoch riskante Sache ist ohne die Garantie, dass es am Ende klappt. Auch die Biontech-Gründer Özlem Türeci und Ugur Sahin konnten nicht sicher sein, die ersten am Markt zu sein mit einem starken Corona-Impfstoff. Wir brauchen sie aber beide: Die letztlich Erfolgreic­hen, die strahlende­n Helden, genauso wie die – womöglich nur auf den ersten Blick – am hohen Anspruch Gescheiter­ten. Das wichtige nämlich ist, dass sich Menschen auf den Weg in ein bis dato unbekannte­s Terrain machen, das einer Gesellscha­ft und Wirtschaft völlig neue Perspektiv­en eröffnen kann.

Deutschlan­d gilt gemeinhin als ein Land, dem es nicht an Erfindern mangelt. Es gilt aber auch als ein Land, dessen Bürger dazu neigen, große Risiken eher zu meiden. Und schließlic­h gibt es das Klischee, dass Deutschlan­d sich nicht leichttut, das Scheitern an einem großen Ziel ohne Weiteres zu verzeihen. Genau das muss sich ändern, denn zum Wagnis gehört das Risiko des Scheiterns – genauso wie die Chance auf den ganz großen Erfolg.

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