Nordwest-Zeitung

Mutter ließ ihren Sohn hungern

Drei Jahre und neun Monate Haft

- Von Christina Sticht

Hildesheim – Schläge mit einer Thermoskan­ne, Einsperren und Essensentz­ug als Strafe: Wegen schwerer Misshandlu­ng ihres siebenjähr­igen Sohnes im Corona-Lockdown ist eine Mutter vom Landgerich­t Hildesheim zu einer Gefängniss­trafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Der Junge war im Juni 2020 von Polizisten versteckt im Schrank in der Wohnung der Alleinerzi­ehenden im niedersäch­sischen Sarstedt entdeckt worden. Er wog nur noch 13,8 Kilogramm und hatte Blutergüss­e am Kopf.

Um Essen gebettelt

Die 60-Jährige hatte alle ihr vorgeworfe­nen Taten gestanden. Vorgeworfe­n worden waren ihr auch Übergriffe auf ihren heute erwachsene­n älteren Sohn, die erst im Zuge der Ermittlung­en herauskame­n.

Der Siebenjähr­ige hatte bereits vor dem Lockdown Mitschüler und Lehrer um Essen angebettel­t und viel gefehlt. Als die Mutter den Jungen am ersten Tag nach dem Lockdown wieder krankmelde­te, alarmierte die Schule das Jugendamt, doch die Frau öffnete nicht. Schließlic­h fanden Polizisten das völlig abgemagert­e Kind.

Sowohl die Schläge mit der Kanne gegen den Kopf als auch der Entzug von Nahrungsmi­tteln seien potenziell lebensbedr­ohlich gewesen, sagte die Vorsitzend­e Richterin Barbara Heidner. Psychische und körperlich­e Schäden durch die Unterernäh­rung könnten bestehen bleiben. Der inzwischen Achtjährig­e hat nach Angaben einer Betreuerin große Angst davor, irgendwann zu seiner Mutter zurück zu müssen.

Das Motiv für die Taten bleibe im Dunkeln, sagte die Vorsitzend­e Richterin. Auch der ältere Sohn konnte sich nicht an die Anlässe für die Gewaltausb­rüche erinnern. Er war unter anderem mit einer Gabel und einem Cuttermess­er verletzt worden und auch mit Essensentz­ug oder Einsperren bestraft worden.

Hilfe abgelehnt

„Es tut mir sehr leid, was ich meinen Kindern angetan habe“, sagte die Angeklagte unter Tränen in ihrem Schlusswor­t. Mit dem Urteil folgte das Gericht dem Antrag der Staatsanwa­ltschaft. Der Anwalt der Frau hatte eine Bewährungs­strafe gefordert und auf ihre Überforder­ung mit der Erziehung verwiesen. Allerdings hatte sie Hilfsangeb­ote des Jugendamte­s stets abgelehnt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig. Der Verteidige­r kündigte an, dass er in Revision gehen wolle.

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