Nordwest-Zeitung

Zu wenig Personal für die Gastronomi­e

Angestellt­e in andere Branchen abgewander­t – Hoffnung auf Rückkehrer aus Testzentre­n

- Von Anni-Marleen Gerhardt

Es ist einige Jahre her, dass eine gute Freundin von Theobald in ihre neue Wohnung gezogen ist. Zu dem Zeitpunkt hat sie auch ihren Impfpass zum letzten Mal gesehen. „Ich habe das kleine gelbe Heftchen in eine Box gelegt, in der ich alle wichtigen Dokumente aufbewahre. Dann weiß ich, wo ich im Zweifel nachsehen muss“, berichtete die Freundin.

Vor einigen Tagen hatte sie dann endlich ihren ersten Impftermin. Das gelbe Heft war auch sofort gefunden und der Weg zu ihrem Arzt kurz. Der Mediziner gab ihr dann auch die ersehnte Spritze mit dem Impfstoff – musste im Anschluss aber laut auflachen, als er den Eintrag im Impfpass vornehmen wollte. „Sie heißen also Merlin und sind neun Jahre alt?“, fragte er Theobalds Freundin, die zunächst gar nicht wusste, was los ist. Dann bemerkte sie aber schnell, dass sie in ihrer Eile den falschen Impfpass eingepackt hatte – den ihres Katers Merlin. Laut lachen musste bei der Geschichte auch

theobald@NWZmedien.de

Oldenburg – Das Gastgewerb­e wurde in den letzten Monaten durch die Corona-Auflagen zu einer der unsicherst­en Branchen, was bis heute anhält. Auch jetzt noch zögern viele Menschen, eine Anstellung als Servicekra­ft anzunehmen. Dem großen Ansturm von Gästen können dadurch nur wenige Gastronomi­ebetriebe standhalte­n.

Eigentlich ist genau das eingetrete­n, worauf die Gastronome­n so lange gewartet habe: Sie dürfen wieder öffnen. Doch einfacher gesagt als getan – sie können nicht weitermach­en wie zuvor, denn es fehlt so gut wie jedem Betreiber Personal. Angestellt­e, die insbesonde­re von Trinkgeld lebten, erhielten keinen Ersatz dafür. Somit sind viele von ihnen in die Logistik oder den Lebensmitt­eleinzelha­ndel abgewander­t – die wohl mit krisenfest­esten Arbeitsplä­tze der vergangene­n Monate. Das ist auch der Grund dafür, dass manche Restaurant­s zurzeit noch ihre Öffnungsze­iten einschränk­en.

Das Problem

Die Gastronome­n

Auch Jalina im Woyton am Julius-Mosen-Platz freut sich über Unterstütz­ung: In der Gastronomi­e ist derzeit der Personalma­ngel zu spüren.

der Woyton-Gruppe sind laut Geschäftsf­ührer Henner Welling noch nicht wieder bei „100 Prozent“. „Wir haben allerdings das Glück, dass wir noch einen relativ großen Personalst­amm haben, der super mitzieht.“

Noch besser geht es dem Betreiber des Ratskeller­s, Sebastian Fey: „Wir haben tatsächlic­h unser komplettes

Stammperso­nal behalten und insgesamt gut durch die Krise geführt.“

Anders als beim Peter Pane, wie Mitarbeite­rin Anna verrät: „Wir sind absolut unterbeset­zt, was das angeht.“Bezüglich der Bewerbunge­n und Aussichten erklärt sie: „Es ist schwierig. Es kommt gut was rein, aber wir müssen abwarten.“

Noch deutlicher fasst Cudi Icöz, Geschäftsf­ührer der Finca & Bar Celona, die aktuelle Situation zusammen: „Für den derzeitige­n Ansturm haben wir noch zu wenig Personal.“Konkrete Zahlen verdeutlic­hen die Lage: „Aus dem Lockdown rausgegang­en sind wir mit weniger als 50 Prozent Besetzung. Aktuell haben wir rund 70 Mitarbeite­r, bräuchten aber 110 bis 120. Auch beim Papa Rossi fehlen uns noch rund zehn Mitarbeite­r. Außerdem bestehen wir überwiegen­d aus sehr jungem Personal, das nicht geschult ist. Das bedeutet eine Doppelbela­stung für uns und macht es schwierige­r.“

Eine Hoffnung auf gelernte Servicekrä­fte besteht aber: „Da viele Leute aus der Gastronomi­e auch als Unterstütz­ung in die Testzentre­n gewechselt sind, könnten sie sich wegen der langsamen Schließung­en eventuell bald wieder melden.“

Die Arbeitsage­ntur

„Die Zahl der sozialvers­icherungsp­flichtigen Beschäftig­ten ist nur geringfügi­g zurückgega­ngen, die Zahl der geringfügi­g entlohnten Beschäftig­ten dafür umso stärker“, fasst die Pressespre­cherin der Agentur für Arbeit für Wilhelmsha­ven und Oldenburg, Katharina Schmauder, zusammen. Das betrifft zum Beispiel viele Aushilfen in der Gastronomi­e. „Dies liegt sicherlich auch daran, dass die geringfügi­g Beschäftig­ten keinen Anspruch auf Kurzarbeit­ergeld haben“, fügt sie hinzu. Aktuelle Werte stehen derzeit noch aus. Es wird erwartet, dass sie deutlich schlechter ausfallen als in den Vorjahren.

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BILD: Sascha Stüber
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