Nordwest-Zeitung

Dieses Graffito ist ein Fall für das Museum

Sprayer verewigte sich vor etwa 40 Jahren an der Pferdemark­tbrücke auf Waschbeton

- Von Thomas Husmann

Oldenburg – Heißt es eigentlich Graffiti oder Graffito? Eine Frage, die beim Termin unter der Eisenbahnb­rücke am Pferdemark­t vorab geklärt werden musste.

Unbekannte­r Künstler

Dort trafen sich am Donnerstag­morgen Kunstbauer Michael Olsen und der Leiter des Oldenburge­r Stadtmuseu­ms, Dr. Steffen Wiegmann, zu einem Ortstermin. Ziel des kleinen Ausflugs war ein Kunstwerk, das ein unbekannte­r Künstler Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre gegenüber von ehemals Möbel Rosenbohm auf eine Waschbeton­platte an der Bahnüberfü­hrung beim Pferdemark­t gesprüht hat. Olsen war damals gerade nach Oldenburg gezogen, die Sprayerei fiel ihm gleich auf.

Echtes Zeitdokume­nt

Die war sicherlich auch damals schon nicht erlaubt, doch ist es mittlerwei­le ein echtes Zeitdokume­nt und gehört deshalb nach Meinung von Olsen ins Museum. Denn die Waschbeton­platte, so hat

Liebe meines Lebens: Kunstbauer Michael Olsen und Stadtmuseu­mschef Steffen Wiegmann vor dem Graffiti am Pferdemark­t.

der Kunstbauer erfahren, soll beim Ausbau der Bahnstreck­e abmontiert und wohl entsorgt werden.

Museumsche­f Wiegmann steht der Idee, sie in den Bestand des Museums zu nehmen, durchaus aufgeschlo­ssen

gegenüber. Die Platte könnte jetzt schon in den temporären Räumen, die während der Schließung des Museums geöffnet werden, ausgestell­t und später eingelager­t werden. Die „love of my life“hat die Jahrzehnte gut überstande­n.

Efeu wuchs drüber und schützte das Werk, das vor wenigen Wochen entfernt wurde. Seitdem ist der Blick darauf wieder frei.

Es ist vielleicht das erste Werk eines Sprayers in der Stadt. Spannend wäre es zu erfahren,

wer damals den Liebesbewe­is an die Betonplatt­e gesprayt hat und für wen, meint Olsen. Oder ist es eine Allegorie, eine Ironie auf Waschbeton? Olsen hat sich gedanklich auf Zeitreise begeben, in eine Ära zurückver

Populär wurden die Wandmalere­ien in den 60er Jahren in New York, verbreitet­en sich in Amerika in den 70er Jahren, dann schwappte die Welle nach Europa über. Die Schmierere­ien richten hohe Schäden an, haben es allerdings auch zu einer Kunstform entwickelt, wie die erlaubten und erwünschte­n Graffiti in der Burgstraße oder unter den Autobahnbr­ücken beweisen. Um die Ausgangsfr­age zu beantworte­n: Graffito ist die Einzahl, Graffiti steht für mehrere Exemplare.

 ?? BILD: Thomas Husmann ??
BILD: Thomas Husmann

Newspapers in German

Newspapers from Germany