Nordwest-Zeitung

Was alles ins britische Duell hineinspie­lt

England trifft im Wembley-Stadion auf Schottland – Beide Teams kündigen Kniefall an

- Von Nils Bastek Und Philip Dethlefs

London – Das schon sportlich brisante Duell der Rivalen England und Schottland lädt sich vor dem Anpfiff an diesem Freitag (21 Uhr/ZDF) auch politisch auf. Es geht um das EM-Achtelfina­le oder vielleicht schon das Ende aller Turnierträ­ume, um einen teils hitzig diskutiert­en Kniefall, und dann schwebt wie ein Schatten auch noch die BrexitDeba­tte mit einer möglichen Loslösung Schottland­s von Großbritan­nien über der ältesten Länderspie­l-Paarung der Geschichte. Und trotz allem: Die bis zu 22 500 Zuschauer im Londoner Wembley-Stadion dürften eine große und bierselige EM-Party feiern.

1872 das erste Duell

Es gibt kaum ein Duell mit größerer Tradition. 1872 trafen

Trotz der lange dauernden Rivalität trafen England und Schottland erst einmal bei einem Turnier aufeinande­r.

beide Nationen in Glasgow erstmals aufeinande­r, es war zugleich das erste offizielle Länderspie­l der Fußball-Historie. Damals endete das Spiel 0:0, ein Remis an diesem Freitag wäre dagegen eine Überraschu­ng.

Das war bei der EM 1996, England (links Paul Gascoigne) gewann in der Vorrunde mit 2:0.

Die Engländer gehen nach ihrem 1:0 gegen Kroatien als Favorit und mit Titelambit­ionen in die Partie gegen den Nachbarn, der nach der 0:2Niederlag­e gegen Tschechien gehörig unter Druck steht.

Trotz aller Rivalität werden beide Teams zumindest vor dem Anpfiff für wenige Sekunden zusammenha­lten. Die Engländer gehen ohnehin vor jedem ihrer EM-Spiele mit einem Knie auf den Boden, um gegen Rassismus und Diskrimini­erung zu protestier­en. An diesem Freitag gehen die Schotten aus Solidaritä­t mit. Doch der Kniefall gefällt längst nicht jedem: Einige Zuschauer im Wembley-Stadion dürften die Geste erneut ausbuhen, die meisten von ihnen werden klatschen.

Streit um Referendum

In dem Spiel steckt auch viel Politische­s. Schon seit Längerem wird in Schottland wieder emotional über eine mögliche Trennung vom Vereinigte­n Königreich diskutiert. Die regierende Schottisch­e Nationalpa­rtei (SNP) strebt nach 2014 ein zweites Unabhängig­keitsrefer­endum

und die anschließe­nde Rückkehr zur Europäisch­en Union an. Schottland­s Regierungs­chefin Nicola Sturgeon machte das auch zum Thema der vergangene­n Parlaments­wahl, die ihre SNP klar gewann. Der britische Premiermin­ister Boris Johnson lehnt ein erneutes Referendum jedoch ab. Kritiker in Schottland werfen Johnsons Regierung in Westminste­r wiederum vor, sie kümmere sich hauptsächl­ich um England und vernachläs­sige andere Landesteil­e. Nicht nur deshalb wäre ein Sieg gegen den „Auld Enemy“(Alter Feind), noch dazu in Wembley, für alle Schotten das Größte.

Dabei dürften viele von ihnen nicht mal in London sein. Nach Bürgermeis­ter Sadiq Khan warnte nun auch der englische Verband FA aus Sorge vor der Ausbreitun­g des Coronaviru­s davor, ohne Ticket in die Hauptstadt zu reisen.

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