Was alles ins britische Duell hineinspielt
England trifft im Wembley-Stadion auf Schottland – Beide Teams kündigen Kniefall an
London – Das schon sportlich brisante Duell der Rivalen England und Schottland lädt sich vor dem Anpfiff an diesem Freitag (21 Uhr/ZDF) auch politisch auf. Es geht um das EM-Achtelfinale oder vielleicht schon das Ende aller Turnierträume, um einen teils hitzig diskutierten Kniefall, und dann schwebt wie ein Schatten auch noch die BrexitDebatte mit einer möglichen Loslösung Schottlands von Großbritannien über der ältesten Länderspiel-Paarung der Geschichte. Und trotz allem: Die bis zu 22 500 Zuschauer im Londoner Wembley-Stadion dürften eine große und bierselige EM-Party feiern.
1872 das erste Duell
Es gibt kaum ein Duell mit größerer Tradition. 1872 trafen
Trotz der lange dauernden Rivalität trafen England und Schottland erst einmal bei einem Turnier aufeinander.
beide Nationen in Glasgow erstmals aufeinander, es war zugleich das erste offizielle Länderspiel der Fußball-Historie. Damals endete das Spiel 0:0, ein Remis an diesem Freitag wäre dagegen eine Überraschung.
Das war bei der EM 1996, England (links Paul Gascoigne) gewann in der Vorrunde mit 2:0.
Die Engländer gehen nach ihrem 1:0 gegen Kroatien als Favorit und mit Titelambitionen in die Partie gegen den Nachbarn, der nach der 0:2Niederlage gegen Tschechien gehörig unter Druck steht.
Trotz aller Rivalität werden beide Teams zumindest vor dem Anpfiff für wenige Sekunden zusammenhalten. Die Engländer gehen ohnehin vor jedem ihrer EM-Spiele mit einem Knie auf den Boden, um gegen Rassismus und Diskriminierung zu protestieren. An diesem Freitag gehen die Schotten aus Solidarität mit. Doch der Kniefall gefällt längst nicht jedem: Einige Zuschauer im Wembley-Stadion dürften die Geste erneut ausbuhen, die meisten von ihnen werden klatschen.
Streit um Referendum
In dem Spiel steckt auch viel Politisches. Schon seit Längerem wird in Schottland wieder emotional über eine mögliche Trennung vom Vereinigten Königreich diskutiert. Die regierende Schottische Nationalpartei (SNP) strebt nach 2014 ein zweites Unabhängigkeitsreferendum
und die anschließende Rückkehr zur Europäischen Union an. Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon machte das auch zum Thema der vergangenen Parlamentswahl, die ihre SNP klar gewann. Der britische Premierminister Boris Johnson lehnt ein erneutes Referendum jedoch ab. Kritiker in Schottland werfen Johnsons Regierung in Westminster wiederum vor, sie kümmere sich hauptsächlich um England und vernachlässige andere Landesteile. Nicht nur deshalb wäre ein Sieg gegen den „Auld Enemy“(Alter Feind), noch dazu in Wembley, für alle Schotten das Größte.
Dabei dürften viele von ihnen nicht mal in London sein. Nach Bürgermeister Sadiq Khan warnte nun auch der englische Verband FA aus Sorge vor der Ausbreitung des Coronavirus davor, ohne Ticket in die Hauptstadt zu reisen.